07.11.2019 Stadtrat Leipzig – Linksextremismus

Gestern fand im Stadtrat Leipzig die „Debatte“ über Linksextremismus statt. OBM Jung verglich die Anschläge gegen Baukräne, Mülltonnen und eine Projektentwicklerin mit den Anfängen der RAF. Von den Linken kam eine eindeutige Distanzierung von den Gewalttätern – leider auch eine Aufrechnung mit rechter Gewalt. Diese ist zwar richtig, im Kontext klang sie für einige wohl mehr nach Relativierung. Von den Rechten und der CDU will ich hier nicht reden, es war erwartbar, dass Jule Nagel persönlich verantwortlich gemacht wird und mit ihr die gesamte Partei „Die Linke“.

Ansonsten gab es nur 5 Minuten je Fraktionen für Statements und keine Diskussion über dieses Thema. Somit hier mein vorbereitetes (unverändertes) Statement – in der Rubrik „Was ich sagen wollte“. Leider ist meine am Ende beschriebene Befürchtung eingetreten: Die Debatte wurde von fast allen für den Oberbürgermeister-Wahlkampf missbraucht. Dazu zählen auch die Vorwürfe gegen den OBM, er wäre quasi mit Terroristen ins Bett gekrochen. Wurde natürlich vornehmer formuliert.


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren Beigeordnete,
Werte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
Werte Gäste


Ich habe die Anwendung von Gewalt als Kampfsportler und als Soldat erlernt, angewendet und auch selbst in verschiedenen Situationen erfahren. Ich verabscheue Gewalt – egal zu welchem vermeintlich höheren Ziel sie eingesetzt wird.
Egal worüber wir politisch streiten, nichts rechtfertigt die Anwendung von Gewalt gegenüber Menschen oder auch Dingen, außerhalb der Notwehr oder Nothilfe. Und diese Begriffe sind definiert und dürfen nicht aufgeweicht werden.
Ein Kran, eine Baustelle, eine Mülltonne oder eine Projektentwicklerin führen keinen „gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff“ auf jemanden, der die Zerstörung von Dingen oder Körperverletzung an Menschen als „verhältnismäßig“ rechtfertigt.
Es sollte also nicht schwer fallen, sich von Taten vermeintlicher Anhänger zu distanzieren.
Das gilt für alle in deren Namen und nach deren Ideologie solche Taten begangen werden, egal wo sie politisch verortet sind.
Wir, als gewählte Vertreter der Leipziger BürgerInnen, tragen dabei eine hohe Verantwortung. Aus unserer Rhetorik und unserem Sprachgebrauch beziehen auch Extremisten ihre Motivation. Unsere Schuldzuweisungen werden in den öffentlichen Diskurs durch die Medien eingebracht.
In dem Zusammenhang sehe ich den Namen des Soko – nämlich LINX (mit x) hier, vorsichtig gesagt, problematisch. Dieser Name assoziiert eine Verbindung zu linXXnet und somit zur Kollegin Nagel und der gesamten Linkspartei in Leipzig.
Die Verwendung dieses Namens ist eine politische Botschaft, wie sie nicht perfider sein könnte. Sie stellt in der Zeit des Oberbürgermeister-Wahlkampfes die Partei „Die Linke“ unter Extremismus Verdacht und die Parteien die diesen Namen befürworten unter den Verdacht der Wahlbeeinflussung zugunsten ihrer Kandidaten.
Wir sind gerade wieder dabei ein Stück Vertrauen unserer Wähler in uns und in die Demokratie zu verspielen.
Wir sollten schleunigst damit aufhören.

Ich sehe den Reaktionen gelassen entgegen.

Bild von Pavlofox auf Pixabay

Stellplatzsatzung

Einer meiner Slogans zur Stadtratswahl

Wenn zwei das gleiche wollen, dann tun und sagen sie oft nicht das selbe – oder so.

Guten Tag, mein Name ist Thomas Köhler, ich bin 62 Jahre alt, Stadtrat in Leipzig für die Piratenpartei. Ich habe kein Auto, sondern fahre mit dem ÖPNV. Bis vor zwei Jahren, zwei schuldlosen Unfällen und dem zweiten Ersatzgelenk bin ich Fahrrad gefahren. Ich will eine autoarme Stadt.

Allerdings schrieb ich eine Pressemitteilung für die Fraktion Freibeuter im Stadtrat Leipzig, zum Thema Stellplatzsatzung die beginnt mit:

Die Stellplatzsatzung bezeichnet Stadtrat Thomas Köhler, der die Fraktion Freibeuter im Leipziger Stadtrat im Fachausschuss  Stadtentwicklung & Bau vertritt, als Paradebeispiel grüner Erziehungsmethoden, die Leipziger vom Auto weg zu zwingen.

Wenn sich jemand von „Paradebeispiel grüner Erziehungsmethoden“ angegriffen fühlt dann tut es mir leid, aber ich bin manchmal etwas auf „Krawall gebürstet“ und provoziere dann, um andere Menschen zu erreichen. Es ist (vgl. Abschnitt Twitter) auch mein Ausdruck – nicht das Statement der Piraten Leipzig. Ich nehme es nicht zurück, möchte es aber erklären. Es entsteht bei mir der Eindruck, besonders durch die Argumentationen pro Stellplatzsatzung, dass die Leipziger durch Parkaumverknappung erzogen werden sollen . Das halte ich für aussichtslos.

Stellplatzsatzung

Die Stellplatzsatzung in der heutigen Form war mir schon immer ein Dorn im Auge. Sie verpflichtet Bauträger, aber auch Nutzer (wie Händler oder Gastronomen), eine Anzahl von Stellplätzen pro Wohnung, Ladengeschäft oder Gaststätte auszuweisen. Die Ausweisung ist allerdings nicht etwa die Schaffung von Kfz-Stellplätzen, sie ist zu oft die Zahlung einer Ablösesumme an die Stadt. Das bedeutet im Falle von Mietwohnungen ein Aufschlag auf die Miete – ohne Mehrwert für die Mieter. Nun soll die neue Stellplatzsatzung für geringere Mietpreise sorgen, durch Reduzierung der auszuweisenden Stellplätze. Das bedeutet im Klartext, Stellplätze – wenn auch in geringerem Umfang – müssen nach wie vor nicht geschaffen, sie können auch abgelöst werden.

Ein Hinweis noch: Ich habe in den letzten Wochen viel Lob für die neue Stellplatzsatzung gehört. Dass es von führenden Vertretern dreier Wohnungsbaukonzerne kam, sollte zu Denken geben.

Auswirkungen

Mein Hauptgrund für die Ablehnung ist besonders in dem folgenden Satz der Pressemitteilung formuliert:

Die Stellplatzsatzung dürfe auch nicht das Feigenblatt der Ablösung von Stellplätzen sein, sondern müsse vielmehr die Schaffung derselben befördern.

Nachfolgend eine Schilderung des Zustandes in Leipzig, aus meiner Sicht:

Der ruhende Verkehr stellt in vielfacher Hinsicht eine Herausforderung für die Bürger, die Gewerbetreibenden und Besucher der Stadt Leipzig dar. Nachfolgend eine Zusammenfassung einiger Probleme, die Reihenfolge drückt keine Wertigkeit aus.

  1. Die Verkehrsflächen (Straßen) der Stadt werden i.d.R. zwischen 10% bis 60% der Gesamtfläche eine Straße als Abstellfläche für den ruhenden Verkehr genutzt. Dies behindert alle Verkehrsarten, in verschiedener Weise. Fußgänger werden beim Überqueren der Straßen behindert, der Verkehrsfluss von Radverkehr, miV, GKV und ÖPNV wird behindert und eine grundhafte Verbesserung des Verkehrsflusses, besonders für ÖPNV, Radverkehr und Fußverkehr, ist unmöglich geworden.
  2. Das Abstellen von Fahrzeugen auf den Verkehrsflächen führt zu einer Behinderung von Maßnahmen der Stadtreinigung und befördert somit eine „Vermüllung“ der Stadt.
  3. Durch die Suche nach einem Parkplatz, die für die meisten Autofahrer täglich erforderlich ist, entstehen Schadstoffbelastungen durch sinnlos gefahrene Kilometer und vermeidbare Unfallgefahren – besonders Radunfälle durch „dooring“.
  4. Die gekennzeichneten Parkflächen erfordern teilweise ein Überfahren der Bordsteinkanten (Bsp. Georg-Schumann-Str. in stadtauswärtiger Richtung zwischen Breitenfelder Str. und Wiederitzscher Str.). Das führt langfristig zu Schäden an den Gehwegeinfassungen und der Straßenentwässerunng.
  5. Die parkenden Fahrzeuge stellen oft eine Behinderung für Rettungsdienste, Feuerwehr und auch die Müllabfuhr dar.
  6. Durch bauliche Maßnahmen wie Parkbuchten wird der Verkehrsraum dauerhaft, zu Gunsten des ruhenden Verkehrs, verringert.
  7. Ordnungspolitisch hat die Stadt Leipzig bereits kapituliert. Halte- und Parkverstöße gem. StVO §12 (besonders Abs. 1.1, 1.2, 2.1, 2.3, 2.5, 3b, 6) werden kaum geahndet, wenn doch dann nur mit Bußgeldern. Diese füllen zwar (mit erheblichem personellem Aufwand und teils juristischem Nachspiel) die Stadtkasse. Sie haben aber, mangels Parkmöglichkeiten, kaum Effekte für die Parkraumsituation.

Was tun?

Es gibt, wie immer, mehrere Ansätze.

Der eine ist: Wir arbeiten weiter mit einer wirkungslosen Stellplatzsatzung, die übrigens für Lückenbebauung in bereits zugeparkten Quartieren gilt, und verlagern das Problem weiter an die Allgemeinheit. Die muss sich dann mit den o.g. Konsequenzen herumschlagen und mit hohem finanziellen Aufwand die Schäden beseitigen. Von Unfallgefahren und Einschränkung der Lebensqualität in der Stadt will ich nicht anfangen.

Mein Ansatz ist: Wir zwingen die Wohnungsbauunternehmen zur Schaffung von Stellplätzen in den Lückenbebauungen und die Kfz-Besitzer zur Nutzung derselben um die Situation nicht weiter zu verschärfen. Denkbar ist auch die Schaffung von Stellplätzen über den Bedarf des konkreten Objekts hinaus – mit Vermietung an Anwohner aus der Umgebung. Das würde mEn zu einer Entspannung, zumindest nicht zu einer weiteren Verschärfung führen.

Das Auto in der Stadt

Für die Einen ist es ein Anachronismus, für viele Menschen ist es aber leider noch notwendig. Wie oben geschrieben: Ich habe kein Auto allerdings gibt es in der Familie einen Kleinwagen, meine Frau müsste sonst ihren Job aufgeben – zu ihrem Arbeitsplatz fährt kein ÖPNV. Eine weitere Verknappung des Parkraumes bis zum Verkehrskollaps würde also keinen Verzicht auf das Auto bedeuten – es würde nur zu Unmut und weiterer Aggression im Straßenverkehr führen. Aus solchen Forderungen nach Verknappung resultiert auch meine Aussage über „Erziehungsmethoden“.

Meinen favorisierten Ansatz habe ich in einem Artikel beschrieben – er geht über den Widerspruch gegen die Stellplatzsatzung hinaus. Wer Lust hat scrollt bis zur „10 Minuten Regel“, ich möchte das hier nicht nochmal ausführen.

Twitter

Einige Reaktionen auf Twitter, mit meinen Antworten:

Es ist mein Ausdruck – ich habe es oben erklärt.

Ja, ich unterscheide durchaus nach Hausgröße, d.h. nach der Anzahl der Wohneinheiten. Ein Einfamilienhausbesitzer hat meist mindestens ein Auto.

Siehe oben stehender Absatz zur Verknappung und den Folgen.

Fazit:

Mein Widerspruch gegen die Stellplatzsatzung ist keine Verteidigung des miV – und ich stehe zu dem letzten Satz der Pressemitteilung:

Lösungen aus Sicht der Fraktion Freibeuter sind ein gut getaktetes und verlässliches Angebot im Nahverkehr sowie autoarme oder autofreie Wohnquartiere: „Eine bewusste Entscheidung gegen das Auto kann nur fällen, wer aufgrund seiner Lebens- und Arbeitswelten auch auf das Auto verzichten kann.