Stadtrat Leipzig 21.07.2021 – Abschleppen

Die never-ending-story ging gestern weiter. Nach den Anläufen zum „Abschleppen von Falschparkern“ im Stadtrat Leipzig (ich schrieb mehrfach darüber) kam gestern der Antrag „Veröffentlichung von Arbeitsanweisungen im Ordnungsamt “ zur Abstimmung. Wie die LIZ sehr ausführlich berichtete, verweigerte die Stadtverwaltung dem Fachausschuss Umwelt/Ordnung/Klima die Einsicht.

Der Antrag war ganz einfach formuliert:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Arbeitsanweisungen Nr. 05/1993 „Abschleppen und Verfahren verkehrsordnungswidrig parkender Fahrzeuge“ und Nr. 04/2001 „Abschleppmaßnahmen bei verbotswidrigem Parken im Fahrraum von Schienenfahrzeugen der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) in der jeweils aktuellen Fassung dem Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung sowie den StadträtInnen vorzulegen. Sollten die Arbeitsanweisungen innerhalb des zurückliegenden Jahres geändert worden sein, wird auch die Vorversion vorgelegt.

Nach meiner nachstehenden Rede und den Worten von Norman Volger (Grüne) wurde vom Fachbürgermeister versichert, dass der ablehnende Verwaltungsstandpunkt zurückgezogen wird und die Arbeitsanweisungen dem Fachausschuss zur Verfügung gestellt werden. Warum dann erst des Theater?

Jetzt meine Rede, ja ich habe sie bewusst verwirrend geschrieben.

Die Fraktion Freibeuter begehrt die Möglichkeit der Einsichtnahme der Stadträtinnen und Stadträte die im geschlossenen Ausschuss Umwelt/Ordnung/Klima vertreten sind in zwei Arbeitsanweisungen des Ordnungsamtes zum Abschleppen von Falschparkern.
Die Verwaltung sagt nein!
Freundlicherweise bezieht die Verwaltung sich auf unsere Anfrage zum selben Thema. In dieser wird wiederum auf die Beratungsfolge zum Antrag „Abschleppen von verkehrsbehindernd parkenden Kraftfahrzeugen“ verwiesen.
Da beginnt das Problem, am Ende komme ich aber auf die grundlegende Problematik zurück.
Der Verwaltungsstandpunkt zu diesem Antrag war falsch und die Verwaltung wusste dies auch. Es lag der Verwaltung schließlich, schon vor der ersten Abstimmung, das Gutachten von Prof. Müller vor, welches die im VSP geschilderte Rechtslage als nicht zutreffend beschreibt. Dieses Gutachten wurde dem Ausschuss und der Ratsversammlung während des ganzen Beratungsganges vorenthalten.
Im VSP zum jetzigen Antrag schreibt die Verwaltung, die „formulierte „Weisungsfreiheit“ geht aus der Antwort zur Anfrage Nr. VII-F-02630 nicht hervor“.
Die Weisungsfreiheit der unteren Verkehrsbehörde, die im Antrag dezidiert genannt ist, ist aber die Begründung des Gutachtens von Herrn Rechtsanwalt Dr. Brüggen, die letztendlich zur Rücknahme des Beschlusses der Ratsversammlung führte.
Habe ich Sie jetzt verwirrt?
Ja so geht es mir auch, wenn ich die verschiedenen Auslegungen durch die Verwaltung lese.
Besonders absurd erscheinen mir zwei Darstellungen im VSP:
1. Heißt es: „Insoweit besteht keine Pflicht zur Übergabe der genannten Arbeitsanweisungen oder deren Vorversionen.“ Im Klartext:
Wir müssen nicht, es steht dem nichts entgegen, wenn wir wollten könnten wir.
Zumindest, wenn man die Deutsche Sprache bemüht. Eine Pflicht bestünde dann mit einem Beschluss des Stadtrates.
2. Die Verwaltung verweist auf das Fehlen eines Informationsfreiheitsgesetzes.
Hier beginnt die grundlegende Problematik für mich.
Die Verwaltung drückt damit aus, dass Sie dem Stadtrat und seinen Ausschüssen nur Einsicht gewährt, wenn Sie durch ein Gesetz dazu gezwungen wird.
Das nimmt die Verwaltung für Unterlagen in Anspruch von denen sie selbst sagt, dass sie nur keine Pflicht zur Herausgabe hat, es also keine rechtlichen Hindernisse gibt.
Meine Damen und Herren,
wir reden gern und oft von Transparenz in der Arbeit des Stadtrates und der Stadtverwaltung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt.
So sagt die Website der Stadt:
Die Informationsfreiheitssatzung der Stadt Leipzig dient dazu, die Transparenz der Stadtverwaltung zu erhöhen, die Zugangsmöglichkeiten zu städtischen Informationen unabhängig vom Vorliegen eines berechtigten Interesses für die interessierte Öffentlichkeit zu fördern.”
Oft erreichen uns Anfragen und Beschwerden wegen mangelnder Transparenz, die zu Verdruss und Misstrauen gegen Politik und Verwaltung führen.
Wenn es aber jetzt schon soweit kommt, dass überhaupt eine Informationsfreiheitssatzung oder ein Informationsfreiheitsgesetz bemüht wird um die Verwaltungsarbeit gegenüber einem geschlossenen Ausschuss des Stadtrates transparent zu machen, dann besteht ein strukturelles Problem.
Das grundsätzliche Problem in der Verwaltung lösen wir mit diesem Antrag nicht, ein Beschluss heute wäre aber ein erster Schritt.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Bild von Paul Brennan auf Pixabay

Stellplatzsatzung

Einer meiner Slogans zur Stadtratswahl

Wenn zwei das gleiche wollen, dann tun und sagen sie oft nicht das selbe – oder so.

Guten Tag, mein Name ist Thomas Köhler, ich bin 62 Jahre alt, Stadtrat in Leipzig für die Piratenpartei. Ich habe kein Auto, sondern fahre mit dem ÖPNV. Bis vor zwei Jahren, zwei schuldlosen Unfällen und dem zweiten Ersatzgelenk bin ich Fahrrad gefahren. Ich will eine autoarme Stadt.

Allerdings schrieb ich eine Pressemitteilung für die Fraktion Freibeuter im Stadtrat Leipzig, zum Thema Stellplatzsatzung die beginnt mit:

Die Stellplatzsatzung bezeichnet Stadtrat Thomas Köhler, der die Fraktion Freibeuter im Leipziger Stadtrat im Fachausschuss  Stadtentwicklung & Bau vertritt, als Paradebeispiel grüner Erziehungsmethoden, die Leipziger vom Auto weg zu zwingen.

Wenn sich jemand von „Paradebeispiel grüner Erziehungsmethoden“ angegriffen fühlt dann tut es mir leid, aber ich bin manchmal etwas auf „Krawall gebürstet“ und provoziere dann, um andere Menschen zu erreichen. Es ist (vgl. Abschnitt Twitter) auch mein Ausdruck – nicht das Statement der Piraten Leipzig. Ich nehme es nicht zurück, möchte es aber erklären. Es entsteht bei mir der Eindruck, besonders durch die Argumentationen pro Stellplatzsatzung, dass die Leipziger durch Parkaumverknappung erzogen werden sollen . Das halte ich für aussichtslos.

Stellplatzsatzung

Die Stellplatzsatzung in der heutigen Form war mir schon immer ein Dorn im Auge. Sie verpflichtet Bauträger, aber auch Nutzer (wie Händler oder Gastronomen), eine Anzahl von Stellplätzen pro Wohnung, Ladengeschäft oder Gaststätte auszuweisen. Die Ausweisung ist allerdings nicht etwa die Schaffung von Kfz-Stellplätzen, sie ist zu oft die Zahlung einer Ablösesumme an die Stadt. Das bedeutet im Falle von Mietwohnungen ein Aufschlag auf die Miete – ohne Mehrwert für die Mieter. Nun soll die neue Stellplatzsatzung für geringere Mietpreise sorgen, durch Reduzierung der auszuweisenden Stellplätze. Das bedeutet im Klartext, Stellplätze – wenn auch in geringerem Umfang – müssen nach wie vor nicht geschaffen, sie können auch abgelöst werden.

Ein Hinweis noch: Ich habe in den letzten Wochen viel Lob für die neue Stellplatzsatzung gehört. Dass es von führenden Vertretern dreier Wohnungsbaukonzerne kam, sollte zu Denken geben.

Auswirkungen

Mein Hauptgrund für die Ablehnung ist besonders in dem folgenden Satz der Pressemitteilung formuliert:

Die Stellplatzsatzung dürfe auch nicht das Feigenblatt der Ablösung von Stellplätzen sein, sondern müsse vielmehr die Schaffung derselben befördern.

Nachfolgend eine Schilderung des Zustandes in Leipzig, aus meiner Sicht:

Der ruhende Verkehr stellt in vielfacher Hinsicht eine Herausforderung für die Bürger, die Gewerbetreibenden und Besucher der Stadt Leipzig dar. Nachfolgend eine Zusammenfassung einiger Probleme, die Reihenfolge drückt keine Wertigkeit aus.

  1. Die Verkehrsflächen (Straßen) der Stadt werden i.d.R. zwischen 10% bis 60% der Gesamtfläche eine Straße als Abstellfläche für den ruhenden Verkehr genutzt. Dies behindert alle Verkehrsarten, in verschiedener Weise. Fußgänger werden beim Überqueren der Straßen behindert, der Verkehrsfluss von Radverkehr, miV, GKV und ÖPNV wird behindert und eine grundhafte Verbesserung des Verkehrsflusses, besonders für ÖPNV, Radverkehr und Fußverkehr, ist unmöglich geworden.
  2. Das Abstellen von Fahrzeugen auf den Verkehrsflächen führt zu einer Behinderung von Maßnahmen der Stadtreinigung und befördert somit eine „Vermüllung“ der Stadt.
  3. Durch die Suche nach einem Parkplatz, die für die meisten Autofahrer täglich erforderlich ist, entstehen Schadstoffbelastungen durch sinnlos gefahrene Kilometer und vermeidbare Unfallgefahren – besonders Radunfälle durch „dooring“.
  4. Die gekennzeichneten Parkflächen erfordern teilweise ein Überfahren der Bordsteinkanten (Bsp. Georg-Schumann-Str. in stadtauswärtiger Richtung zwischen Breitenfelder Str. und Wiederitzscher Str.). Das führt langfristig zu Schäden an den Gehwegeinfassungen und der Straßenentwässerunng.
  5. Die parkenden Fahrzeuge stellen oft eine Behinderung für Rettungsdienste, Feuerwehr und auch die Müllabfuhr dar.
  6. Durch bauliche Maßnahmen wie Parkbuchten wird der Verkehrsraum dauerhaft, zu Gunsten des ruhenden Verkehrs, verringert.
  7. Ordnungspolitisch hat die Stadt Leipzig bereits kapituliert. Halte- und Parkverstöße gem. StVO §12 (besonders Abs. 1.1, 1.2, 2.1, 2.3, 2.5, 3b, 6) werden kaum geahndet, wenn doch dann nur mit Bußgeldern. Diese füllen zwar (mit erheblichem personellem Aufwand und teils juristischem Nachspiel) die Stadtkasse. Sie haben aber, mangels Parkmöglichkeiten, kaum Effekte für die Parkraumsituation.

Was tun?

Es gibt, wie immer, mehrere Ansätze.

Der eine ist: Wir arbeiten weiter mit einer wirkungslosen Stellplatzsatzung, die übrigens für Lückenbebauung in bereits zugeparkten Quartieren gilt, und verlagern das Problem weiter an die Allgemeinheit. Die muss sich dann mit den o.g. Konsequenzen herumschlagen und mit hohem finanziellen Aufwand die Schäden beseitigen. Von Unfallgefahren und Einschränkung der Lebensqualität in der Stadt will ich nicht anfangen.

Mein Ansatz ist: Wir zwingen die Wohnungsbauunternehmen zur Schaffung von Stellplätzen in den Lückenbebauungen und die Kfz-Besitzer zur Nutzung derselben um die Situation nicht weiter zu verschärfen. Denkbar ist auch die Schaffung von Stellplätzen über den Bedarf des konkreten Objekts hinaus – mit Vermietung an Anwohner aus der Umgebung. Das würde mEn zu einer Entspannung, zumindest nicht zu einer weiteren Verschärfung führen.

Das Auto in der Stadt

Für die Einen ist es ein Anachronismus, für viele Menschen ist es aber leider noch notwendig. Wie oben geschrieben: Ich habe kein Auto allerdings gibt es in der Familie einen Kleinwagen, meine Frau müsste sonst ihren Job aufgeben – zu ihrem Arbeitsplatz fährt kein ÖPNV. Eine weitere Verknappung des Parkraumes bis zum Verkehrskollaps würde also keinen Verzicht auf das Auto bedeuten – es würde nur zu Unmut und weiterer Aggression im Straßenverkehr führen. Aus solchen Forderungen nach Verknappung resultiert auch meine Aussage über „Erziehungsmethoden“.

Meinen favorisierten Ansatz habe ich in einem Artikel beschrieben – er geht über den Widerspruch gegen die Stellplatzsatzung hinaus. Wer Lust hat scrollt bis zur „10 Minuten Regel“, ich möchte das hier nicht nochmal ausführen.

Twitter

Einige Reaktionen auf Twitter, mit meinen Antworten:

Es ist mein Ausdruck – ich habe es oben erklärt.

Ja, ich unterscheide durchaus nach Hausgröße, d.h. nach der Anzahl der Wohneinheiten. Ein Einfamilienhausbesitzer hat meist mindestens ein Auto.

Siehe oben stehender Absatz zur Verknappung und den Folgen.

Fazit:

Mein Widerspruch gegen die Stellplatzsatzung ist keine Verteidigung des miV – und ich stehe zu dem letzten Satz der Pressemitteilung:

Lösungen aus Sicht der Fraktion Freibeuter sind ein gut getaktetes und verlässliches Angebot im Nahverkehr sowie autoarme oder autofreie Wohnquartiere: „Eine bewusste Entscheidung gegen das Auto kann nur fällen, wer aufgrund seiner Lebens- und Arbeitswelten auch auf das Auto verzichten kann.