Stadtrat Leipzig 11.11.2020 – Corona-Leugner-Wanderzirkus

Selbstverständlich war die „Querdenken-Demonstration“ am 11. 11. das dominierende Thema zu Beginn derr Stadtratssitzung. Da ich momentan, durch die Corona-bedingte vom Gesundheitsamt angewiesene Absonderung von Sven Morlok, als Fraktionsvorsitzender bei der Ratsversammlung amtiere hielt ich die Redebeiträge zum Thema. Durch den eingangs beschlossenen Geschäftsordnungsantrag wurde die Redezeit für die Fraktionen von 5 auf 2 mal 3 Minuten geändert, wodurch ich meinen vorbereiteten Redebeitrag, am Pult stehend, modifizieren musste. Der zweite Redebeitrag war „aus dem Bauch heraus“, auf Grund der vorhergehenden Beiträge von CDU und AfD. Daraus resultieren die Stockungen während der Rede. Der nachfolgende Text ist analog dem vorgetragenen. Der Link beim Stream führt zur LIZ-Seite, dort findet ihr die Aufzeichnung.

Teil 1: ab 1:28:25 im Stream:

Zu Beginn möchte, nein muss, ich betonen, dass die Fraktion Freibeuter – also sowohl die FDP als auch die Piratenpartei – die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht als essentielle Rechte in unserer Demokratie betrachten. Auch wenn es uns mitunter wünschenswert erscheint, so ist es doch richtig, dass die Hürden für ein Demonstrationsverbot extrem hoch angelegt sind.

Wir stehen zur Versammlungsfreiheit wie auch zur Meinungsfreiheit – die es allen BürgerInnen erlaubt die eigene Meinung frei zu äußern.

Oft gefällt uns diese Freiheit nicht, eine Demokratie muss damit leben und sich gegen Exzesse aller Seiten wehren können.

Kommen wir nun zum Samstag, dem 07. 11. 2020.

Die Verlegung der geplanten Demonstration der Querdenken-Bewegung auf das Gelände der neuen Messe, schränkte die Demonstrationsfreiheit, unserer Meinung nach, in keiner Weise unzumutbar ein, war aber dazu geeignet im Sinne der Sächsischen Corona-Schutzverordnung Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit der Leipziger BürgerInnen zu verhindern.

Welche Gründe das Oberverwaltungsgericht Bautzen zu dem Beschluss führten diese doch auf dem Augustusplatz zu genehmigen ist hier nicht mein Thema. Es erheben sich natürlich Fragen zu den Angaben zum Demonstrationsort und besonders zum letzten Satz in der vorgestrigen Medienmitteilung der da lautet:

Damit (also mit einer unkontrollierten Situation in der Innenstadt T.K.) sei jedoch bei der von der Stadt Leipzig verfügten Verlegung der Versammlung zur Neuen Messe zu rechnen gewesen, da der Antragsteller bereits angekündigt habe, seine Versammlung dort nicht durchzuführen.

Das bedeutet für mich, das ist keine Ankündigung – das ist eine Androhung „Wir gehen sowieso nicht dorthin, wir gehen in die Innenstadt, ob ihr uns lasst oder nicht!“

Das ist aber mehr ein Fall für Juristen, davon haben wir ja genug.

Adressieren wir nun die Verantwortlichkeit für die Eskalation am 7.11..

Rene Hobusch hat das für die FDP so formuliert:

Polizei, die nicht in der Lage ist, Auflagen durchzusetzen. Die Angriffe auf Journalisten nicht unterbinden kann. Die einen verbotenen Marsch gewähren lassen muss, weil sie personell das Recht nicht durchsetzen kann. Das ist klassisches Führungsversagen bei der Polizei und im Innenministerium. Und zwar wiederholt. Dass dann Wasserwerfer abends in Connewitz zum Einsatz kamen, nicht aber am Nachmittag zur Verhinderung der Rechtsbrüche, ist die Krönung des Versagens im Amt“

Ich habe es für die Piratenpartei Sachsen ähnlich gesehen:

Es ist erschreckend, dass die schlecht vorbereitete Einsatzleitung erst nach Stunden die Versammlung, auf Grund der massenhaften Verstöße gegen die Auflagen als beendet erklärte.

Was darauf folgte und noch läuft – als ich das schrieb lief die Demo noch – ist nur mit katastrophal zu bezeichnen. Gegendemonstranten werden von der Polizei eingekesselt während die Polizeiabsperrung, dadurch geschwächt, von den Demonstranten überrannt wird und Hooligans, Nazis und andere Corona-Leugner über den Leipziger Innenstadtring ziehen. Journalisten und Gegendemonstranten wurden angegriffen, auch die Polizei selbst wurde attackiert. In einer Stadt in der bei linken Demos massive Polizeieinsätze mit schwerem Gerät die Regel sind, kann den BürgerInnen, die sich in der Pandemie vorbildlich verhielten, nur schwer erklärt werden warum der Corona-Leugner-Wanderzirkus gepaart mit Rechtsradikalen nicht ebenso im Zaum gehalten werden kann.

Natürlich darf man hier die Verantwortung nicht an „die Polizei“ adressieren, [hier erfolgte die erste Mahnung zur Redezeit] die Verantwortung liegt nicht bei „der Polizei“, sie liegt bei der Polizeiführung – sie liegt bei der Führung die diesen Einsatz zu verantworten hat.

Wenn ich hier lese: An erster Stelle habe die Absicherung der Versammlung gestanden, an zweiter Stelle die Verhinderung von Gewalt und an dritter Stelle der Infektionsschutz. Dann frage ich mich, gehört zur Absicherung der Versammlung auch die Durchsetzung der Auflagen? Warum trennt man hier die Auflagen der Versammlung vom Infektionsschutz, im konkreten Fall geht es hier um dasselbe.

Ich frage hier nicht erneut zu der Gefahrenprognose der Polizei vom 5.11. – diese Fragen wurden bereits gestellt.

[hier erfolgte die zweite Mahnung zur Redezeit]

Die Verantwortlichen haben, das tut nicht nur mir als Leipziger weh, zudem für verstörende Bilder gesorgt. Sie haben dafür gesorgt, dass am Abend des 7. November Menschen über den Leipziger Ring zogen und das Erbe der Montags-Demonstranten konterkarierten.

Teil 2 ab 1:53:35 im Stream:

Ich bin erschüttert, einmal über die Auslegung der Corona-Inzidenz durch den Kollegen (hier war der CDU-Sprecher gemeint) und zum anderen auch über das Statement von Herrn Kriegel (AfD) zu den 89ern, ich meine ich war auch dabei. Dort standen Frieden und Freiheit liebende Menschen, die sich selbstorganisiert verantwortungsvoll verhalten haben gegen eine Polizeipräsenz und die Präsenz unter anderem der „Kampfgruppen der Arbeiterklasse“, die beim ersten Anzeichen von Gewalt losgeschlagen hätte. Ich bitte darum hier weder die Ziele, noch die Art der Demonstration mit denen der 89er hier zu vermischen.

Was mich noch interessiert: Wie kommt eigentlich das erste Statement unseres Polizeipräsidenten in dem von einem „weitestgehend friedlichen Verlauf“ und von „circa 30 Straftaten am Rande der Demonstration – vorwiegend Sachbeschädigungen“ zu hören war. Wie kommt so etwas zustande? Auch die Äußerungen, ob nun vom Ministerpräsidenten oder vom Innenminister, die auch von einem „weitgehend erfolgreichen Polizeieinsatz“ sprechen und von einem „weitgehend friedlichen Verlauf“ – davon war für mich nichts zu sehen.

07.11.2019 Stadtrat Leipzig – Linksextremismus

Gestern fand im Stadtrat Leipzig die „Debatte“ über Linksextremismus statt. OBM Jung verglich die Anschläge gegen Baukräne, Mülltonnen und eine Projektentwicklerin mit den Anfängen der RAF. Von den Linken kam eine eindeutige Distanzierung von den Gewalttätern – leider auch eine Aufrechnung mit rechter Gewalt. Diese ist zwar richtig, im Kontext klang sie für einige wohl mehr nach Relativierung. Von den Rechten und der CDU will ich hier nicht reden, es war erwartbar, dass Jule Nagel persönlich verantwortlich gemacht wird und mit ihr die gesamte Partei „Die Linke“.

Ansonsten gab es nur 5 Minuten je Fraktionen für Statements und keine Diskussion über dieses Thema. Somit hier mein vorbereitetes (unverändertes) Statement – in der Rubrik „Was ich sagen wollte“. Leider ist meine am Ende beschriebene Befürchtung eingetreten: Die Debatte wurde von fast allen für den Oberbürgermeister-Wahlkampf missbraucht. Dazu zählen auch die Vorwürfe gegen den OBM, er wäre quasi mit Terroristen ins Bett gekrochen. Wurde natürlich vornehmer formuliert.


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren Beigeordnete,
Werte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
Werte Gäste


Ich habe die Anwendung von Gewalt als Kampfsportler und als Soldat erlernt, angewendet und auch selbst in verschiedenen Situationen erfahren. Ich verabscheue Gewalt – egal zu welchem vermeintlich höheren Ziel sie eingesetzt wird.
Egal worüber wir politisch streiten, nichts rechtfertigt die Anwendung von Gewalt gegenüber Menschen oder auch Dingen, außerhalb der Notwehr oder Nothilfe. Und diese Begriffe sind definiert und dürfen nicht aufgeweicht werden.
Ein Kran, eine Baustelle, eine Mülltonne oder eine Projektentwicklerin führen keinen „gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff“ auf jemanden, der die Zerstörung von Dingen oder Körperverletzung an Menschen als „verhältnismäßig“ rechtfertigt.
Es sollte also nicht schwer fallen, sich von Taten vermeintlicher Anhänger zu distanzieren.
Das gilt für alle in deren Namen und nach deren Ideologie solche Taten begangen werden, egal wo sie politisch verortet sind.
Wir, als gewählte Vertreter der Leipziger BürgerInnen, tragen dabei eine hohe Verantwortung. Aus unserer Rhetorik und unserem Sprachgebrauch beziehen auch Extremisten ihre Motivation. Unsere Schuldzuweisungen werden in den öffentlichen Diskurs durch die Medien eingebracht.
In dem Zusammenhang sehe ich den Namen des Soko – nämlich LINX (mit x) hier, vorsichtig gesagt, problematisch. Dieser Name assoziiert eine Verbindung zu linXXnet und somit zur Kollegin Nagel und der gesamten Linkspartei in Leipzig.
Die Verwendung dieses Namens ist eine politische Botschaft, wie sie nicht perfider sein könnte. Sie stellt in der Zeit des Oberbürgermeister-Wahlkampfes die Partei „Die Linke“ unter Extremismus Verdacht und die Parteien die diesen Namen befürworten unter den Verdacht der Wahlbeeinflussung zugunsten ihrer Kandidaten.
Wir sind gerade wieder dabei ein Stück Vertrauen unserer Wähler in uns und in die Demokratie zu verspielen.
Wir sollten schleunigst damit aufhören.

Ich sehe den Reaktionen gelassen entgegen.

Bild von Pavlofox auf Pixabay