Leipzig – Radspur auf dem Ring

Wenn der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, also Burkhard Jung, in der Ratsversammlung am 13.10.2021 sagt:

Es geht um das symbolische Ja der Stadt zur Verkehrswende. Das ist der tiefere Sinn der Entscheidung

dann müssen wir uns nicht über die Reaktionen der BILD-Presse, des ADAC und anderer Akteure wundern. Die Aussage ist einfach falsch, zur Gewährung der Verkehrssicherheit auf dem Innenstadtring bedarf es einer verkehrsrechtlichen Anordnung und keines Symbols.

Verkehrsrechtliche Anordnung

Die Herstellung einer Radspur folgt der Logik des Urteils des Urteils des sächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 06.09.2018. Details zu diesem Urteil erspare ich mir und den Leserinnen und Lesern, ich bin kein Jurist und die Urteilsbegründung ist komplex.

Festzustellen ist aber, dass es nach diesem Urteil zulässig ist auf dem Abschnitt des Innenstadtrings, zwischen Rathaus und Runder Ecke (wie BILD am 15.10.201 ihn beschrieb), die Fahrbahn mit dem Fahrrad zu nutzen und die Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht – also auch einer Pflicht der Nutzung der Fahrradstraße im Bereich der Innenstadt, bzw. eines gemeinsam genutzten Fuß- und Radweges – vom Gericht verworfen wird.

Daraus folgt, zumindest nach meinem Verständnis, die Notwendigkeit einer verkehrsrechtlichen Anordnung.

Ein Gedankenexperiment

Auf dem benannten Teilstück des Innenstadtrings fahren zum Zeitpunkt X 20 Menschen mit dem Fahrrad, auf der rechten Spur. Sie fahren natürlich nicht im Konvoi, sondern verteilt über die gesamte Strecke, bei mittlerem Verkehrsaufkommen an Pkw und Lkw. Alle auf beiden Spuren fahrenden Kraftfahrzeuge fahren (oder wollen es zumindest) mit der erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h.

Welche Situation ergibt sich jetzt?

Die auf der rechten Fahrspur fahrenden Kfz überholen die mit dem Fahrrad fahrenden Menschen, natürlich vorschriftsmäßig mit dem gesetzlich festgelegten Mindestabstand (StVO § 5 Abs. 4) von 1,5 Metern. Das bedeutet, sie machen bei jedem Überholvorgang einen Spurwechsel auf die linke Spur.

Fazit: Der Kfz-Verkehr bewegt sich fast ausschließlich auf der linken Spur. Die Kfz werden sich nur nach rechts einordnen, wenn ein Rechtsabbiegen in eine der Seitenstraßen beabsichtigt ist.

Wie kann man dieser Situation, also dem eventuellen ständigen Spurwechsel des Kfz-Verkehrs der ja eine Unfallgefahr darstellt, begegnen?

Varianten

Variante 1: Auf dem Teilstück des Innenstadtrings wird eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h auf dem Teilstück, mit Überholverbot auch für einspurige Fahrzeuge (StVO Anlage 2 Zeichen 277.1, lfd. Nr. 54.4) für die rechte Spur, angewiesen.

Nachteil der Variante: Es stellt kaum eine Verbesserung dar, da außer den Rechtsabbiegenden, alle auf der linken Spur fahren würden. Auch die Anzahl der Spurwechsel würde voraussichtlich nicht deutlich sinken.

Variante 2: Einrichtung eines Radstreifens auf der rechten Spur. Diese Variante erfüllt die Anforderungen der Sicherheit für den Radverkehr weitgehend.

Nachteil der Variante: An jeder Einmündung einer Seitenstraße entsteht für den Kfz- und Rad-Verkehr eine kritische Situation. Verkehrsrechtlich betrachtet muss ein rechtsabbiegendes Kfz, vor der Überquerung des Radstreifens, eventuell anhalten um den Radverkehr zu beachten, was einem Stillstand der gesamten Spur gleich kommt. Ein Abbiegen von den Seitenstraßen auf den Ring ist ebenfalls kritisch, da die Aufstellfläche hinter dem Radstreifen ist und somit eine hohe Anfahrbeschleunigung erforderlich sein kann. Das kann im laufenden Verkehr zu Konflikten führen, wenn z.B. das vorausfahrende Kfz. abrupt bremsen muss.

Schlussbetrachtung

Nach meiner Meinung sind die Varianten beide nicht perfekt. Eine verkehrsrechtliche Anordnung, nach dem OVG-Urteil, ist für diesen Bereich unbedingt erforderlich. Ich kann die Intention der Stadt für die Variante 2 nachvollziehen, es steht und fällt letztendlich mit der Vernunft der Verkehrsteilnehmer und ihrem regelkonformen Verhalten.

Es ist kein Symbol Herr Oberbürgermeister, es ist einfach notwendig.

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Fahrscheinfreier ÖPNV

Die Piraten fordern seit Jahren den fahrscheinfreien, oder fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehr. Das Framing der Gegner, letztmalig im Stadtrat Leipzig bei der Diskussion um das 365 Euro-Ticket, ist immer Zwangsticket.

Ich vertrete diesen Ansatz seit 2014 und schrieb bereits mehrfach darüber. Auch die TAZ berichtete und bei den Piraten war es schon Thema im Stadtrat Leipzig, wie die LIZ 2016 berichtete.

Zur Bundestagswahl 2021 wirbt nun die Partei „Die Linke“ mit einem kostenlosen ÖPNV, den Unterschied erkläre ich im Video für die Piratenpartei.

Ampeln in der Stadtpolitik

Ausnahmsweise geht es nicht um „Ampeln“ bei Koalitionen, auch Fußgängerampeln sind politisch, zumindest wenn man sie im Kontext der Verkehrswende betrachtet. Dazu habe ich mit den Freibeutern einen Antrag im Stadtrat Leipzig eingebracht, allerdings haben wir diesen inzwischen weiter qualifiziert.

Mein, den meisten bekannter, Ansatz ist ja:

„Wir müssen eine gleichberechtigte Teilhabe aller Verkehrsteilnehmer am Straßenverkehr erreichen.“

Konkret bedeutet das natürlich, dass wir die Dominanz des Automobilverkehrs – insbesondere des motorisierten Individualverkehrs – beenden müssen.

Dafür sind Bedarfsampeln für Fuß- und Radverkehr ein oft unterschätztes Instrument.

Sinn und Zweck von Bedarfsampeln ist:

„Bedarfsampeln mit Anforderungsschalter sollen dem Fuß- und Radverkehr eine sichere Querung von Straßen gewähren, ohne den Verkehrsfluss regelmäßig zu unterbrechen.“

Das ist meine Formulierung aus den verschiedenen Regelungstexten, sozusagen ein verständliches Komprimat.

Die „Unterbrechung des Verkehrsflusses“ meint hier natürlich hauptsächlich den Automobilverkehr, aber auch den ÖPNV und Radverkehr auf der zu querenden Straße.

Wo liegt das Problem?

Bedarfsampeln mit Anforderungsschalter, im Volksmund Bettelknopf genannt, reduzieren durch ihre Schaltzeiten oft die Menschen die die Fahrbahn queren wollen zu Verkehrsteilnehmern zweiter Klasse. Oft sind die Wartezeiten so lang, auch wenn auf der Straße kein oder wenig Verkehr herrscht, dass die Wartenden einen Rotlichtverstoß in Kauf nehmen um z.B. eine Straßenbahn zu erreichen. Mitunter sind auch die Grünphasen so kurz, dass ein Sprint aus 20 Metern Entfernung nicht ausreicht um die Grünphase noch zu erwischen, wenn die Ampel gerade geschaltet hat.

Das gilt gleichermaßen für separate als auch für Bedarfsampeln die Teil von LSA-gesteuerten Knoten sind.

Dafür haben wir den Antrag eingebracht, die „qualifizierte Neufassung“ ist in den nächsten Tagen zu sehen.

Bild von Hans Braxmeier auf Pixabay