Als mich ein Mann in der Straßenbahn, bei der Durchsage „Nächste Haltestelle S-Bahnhof Leipzig-Möckern“, fragte, ob Leipzig wirklich eine S-Bahn hätte war ich zunächst erstaunt. Natürlich haben wir eine, wenn auch nicht vergleichbar mit der in Berlin zum Beispiel.
Der Mann war kein Leipziger, aber auch viele Leipziger nutzen die S-Bahn nur sporadisch. Einer der Gründe dafür ist wie so oft mangelhaften Informationssystemen geschuldet. Die Straßenbahnlinien, deren Streckenführung seit ziemlich 100 Jahren unverändert sind, kennt jeder. Wer also in Leipzig Möckern steht weiß, dass die Linien 10 und 11 zum Hauptbahnhof fahren und man von dort mit der Linie 7 nach Böhlitz-Ehrenberg komme. Die Fahrdauer beträgt, je nach Tageszeit, ca. 50 Minuten.
Mit der S-Bahn vom S-Bahnhof Leipzig-Möckern bis Leipzig Leutzsch und dann mit der Straßenbahn nach Böhlitz-Ehrenberg fahren, dauert ca. 25 Minuten.
Klar sieht man das im digitalen Zeitalter auf der App seines Smartphones, aber nur wenn man sich die easygo oder LeipzigMobil App herunter lädt. Über die Google Maps Routenplanung funktioniert das noch nicht, das ändert sich aber ab Januar 2020. Verspätungen und Ausfälle werden aber bei Google dann nicht angezeigt, da die LVB-Live-Daten dort nicht verfügbar sind. Diesen Routenplaner nutzen aber die meisten Besucher unserer Stadt. Wir, die Freibeuter-Fraktion im Stadtrat Leipzig, haben angefragt, warum das so ist. Die Antwort war „Aus Kostengründen“ – wir bleiben weiter dran.
Viel wichtiger erscheint mir aber die Frage: „Warum ist an den Haltestellen, an denen ein Übergang von der Straßenbahn zur S-Bahn möglich ist, weder ein Verweis darauf zu finden, noch wird in Ansagen oder elektronischen Haltestellenanzeigern darauf verwiesen?“
Das ist Inhalt unseres Antrages zum Nahverkehrsplan – Wir wollen, dass die obige Ansage in der Tram wie folgt lautet:
„Nächste Haltestelle S-Bahnhof Leipzig-Möckern, Übergang zur S1 Richtung Miltitzer Allee und Leipzig Stötteritz“
An der elektronischen Haltestellenanzeige sollen dann ebenfalls die nächsten Abfahrten der S-Bahn angezeigt werden. Ein Schild, welches den Weg zum S-Bahnhof zeigt, sollte selbstverständlich sein.
P.S. Selbst an der Zentralhaltestelle „Leipzig Hauptbahnhof“ gibt es zwar einen direkten Zugang zum S-Bahnhof – aber keine Anzeige der nächsten Verbindungen.
Wenn zwei das
gleiche wollen, dann tun und sagen sie oft nicht das selbe – oder
so.
Guten Tag, mein Name ist Thomas Köhler, ich bin 62 Jahre alt, Stadtrat in Leipzig für die Piratenpartei. Ich habe kein Auto, sondern fahre mit dem ÖPNV. Bis vor zwei Jahren, zwei schuldlosen Unfällen und dem zweiten Ersatzgelenk bin ich Fahrrad gefahren. Ich will eine autoarme Stadt.
Die Stellplatzsatzung bezeichnet Stadtrat Thomas Köhler, der die Fraktion Freibeuter im Leipziger Stadtrat im Fachausschuss Stadtentwicklung & Bau vertritt, als Paradebeispiel grüner Erziehungsmethoden, die Leipziger vom Auto weg zu zwingen.
Wenn sich jemand von „Paradebeispiel grüner Erziehungsmethoden“ angegriffen fühlt dann tut es mir leid, aber ich bin manchmal etwas auf „Krawall gebürstet“ und provoziere dann, um andere Menschen zu erreichen. Es ist (vgl. Abschnitt Twitter) auch mein Ausdruck – nicht das Statement der Piraten Leipzig. Ich nehme es nicht zurück, möchte es aber erklären. Es entsteht bei mir der Eindruck, besonders durch die Argumentationen pro Stellplatzsatzung, dass die Leipziger durch Parkaumverknappung erzogen werden sollen . Das halte ich für aussichtslos.
Stellplatzsatzung
Die Stellplatzsatzung in der heutigen Form war mir schon immer ein Dorn im Auge. Sie verpflichtet Bauträger, aber auch Nutzer (wie Händler oder Gastronomen), eine Anzahl von Stellplätzen pro Wohnung, Ladengeschäft oder Gaststätte auszuweisen. Die Ausweisung ist allerdings nicht etwa die Schaffung von Kfz-Stellplätzen, sie ist zu oft die Zahlung einer Ablösesumme an die Stadt. Das bedeutet im Falle von Mietwohnungen ein Aufschlag auf die Miete – ohne Mehrwert für die Mieter. Nun soll die neue Stellplatzsatzung für geringere Mietpreise sorgen, durch Reduzierung der auszuweisenden Stellplätze. Das bedeutet im Klartext, Stellplätze – wenn auch in geringerem Umfang – müssen nach wie vor nicht geschaffen, sie können auch abgelöst werden.
Ein Hinweis noch: Ich habe in den letzten Wochen viel Lob für die neue Stellplatzsatzung gehört. Dass es von führenden Vertretern dreier Wohnungsbaukonzerne kam, sollte zu Denken geben.
Auswirkungen
Mein Hauptgrund für die Ablehnung ist besonders in dem folgenden Satz der Pressemitteilung formuliert:
Die Stellplatzsatzung dürfe auch nicht das Feigenblatt der Ablösung von Stellplätzen sein, sondern müsse vielmehr die Schaffung derselben befördern.
Nachfolgend eine Schilderung des Zustandes in Leipzig, aus meiner Sicht:
Der ruhende Verkehr stellt in vielfacher Hinsicht eine Herausforderung für die Bürger, die Gewerbetreibenden und Besucher der Stadt Leipzig dar. Nachfolgend eine Zusammenfassung einiger Probleme, die Reihenfolge drückt keine Wertigkeit aus.
Die Verkehrsflächen (Straßen) der Stadt werden i.d.R. zwischen 10% bis 60% der Gesamtfläche eine Straße als Abstellfläche für den ruhenden Verkehr genutzt. Dies behindert alle Verkehrsarten, in verschiedener Weise. Fußgänger werden beim Überqueren der Straßen behindert, der Verkehrsfluss von Radverkehr, miV, GKV und ÖPNV wird behindert und eine grundhafte Verbesserung des Verkehrsflusses, besonders für ÖPNV, Radverkehr und Fußverkehr, ist unmöglich geworden.
Das Abstellen von Fahrzeugen auf den Verkehrsflächen führt zu einer Behinderung von Maßnahmen der Stadtreinigung und befördert somit eine „Vermüllung“ der Stadt.
Durch die Suche nach einem Parkplatz, die für die meisten Autofahrer täglich erforderlich ist, entstehen Schadstoffbelastungen durch sinnlos gefahrene Kilometer und vermeidbare Unfallgefahren – besonders Radunfälle durch „dooring“.
Die gekennzeichneten Parkflächen erfordern teilweise ein Überfahren der Bordsteinkanten (Bsp. Georg-Schumann-Str. in stadtauswärtiger Richtung zwischen Breitenfelder Str. und Wiederitzscher Str.). Das führt langfristig zu Schäden an den Gehwegeinfassungen und der Straßenentwässerunng.
Die parkenden Fahrzeuge stellen oft eine Behinderung für Rettungsdienste, Feuerwehr und auch die Müllabfuhr dar.
Durch bauliche Maßnahmen wie Parkbuchten wird der Verkehrsraum dauerhaft, zu Gunsten des ruhenden Verkehrs, verringert.
Ordnungspolitisch hat die Stadt Leipzig bereits kapituliert. Halte- und Parkverstöße gem. StVO §12 (besonders Abs. 1.1, 1.2, 2.1, 2.3, 2.5, 3b, 6) werden kaum geahndet, wenn doch dann nur mit Bußgeldern. Diese füllen zwar (mit erheblichem personellem Aufwand und teils juristischem Nachspiel) die Stadtkasse. Sie haben aber, mangels Parkmöglichkeiten, kaum Effekte für die Parkraumsituation.
Was tun?
Es gibt, wie immer,
mehrere Ansätze.
Der eine ist: Wir arbeiten weiter mit einer wirkungslosen Stellplatzsatzung, die übrigens für Lückenbebauung in bereits zugeparkten Quartieren gilt, und verlagern das Problem weiter an die Allgemeinheit. Die muss sich dann mit den o.g. Konsequenzen herumschlagen und mit hohem finanziellen Aufwand die Schäden beseitigen. Von Unfallgefahren und Einschränkung der Lebensqualität in der Stadt will ich nicht anfangen.
Mein Ansatz ist: Wir zwingen die Wohnungsbauunternehmen zur Schaffung von Stellplätzen in den Lückenbebauungen und die Kfz-Besitzer zur Nutzung derselben um die Situation nicht weiter zu verschärfen. Denkbar ist auch die Schaffung von Stellplätzen über den Bedarf des konkreten Objekts hinaus – mit Vermietung an Anwohner aus der Umgebung. Das würde mEn zu einer Entspannung, zumindest nicht zu einer weiteren Verschärfung führen.
Das Auto in der Stadt
Für die Einen ist es ein Anachronismus, für viele Menschen ist es aber leider noch notwendig. Wie oben geschrieben: Ich habe kein Auto allerdings gibt es in der Familie einen Kleinwagen, meine Frau müsste sonst ihren Job aufgeben – zu ihrem Arbeitsplatz fährt kein ÖPNV. Eine weitere Verknappung des Parkraumes bis zum Verkehrskollaps würde also keinen Verzicht auf das Auto bedeuten – es würde nur zu Unmut und weiterer Aggression im Straßenverkehr führen. Aus solchen Forderungen nach Verknappung resultiert auch meine Aussage über „Erziehungsmethoden“.
Meinen favorisierten Ansatz habe ich in einem Artikel beschrieben – er geht über den Widerspruch gegen die Stellplatzsatzung hinaus. Wer Lust hat scrollt bis zur „10 Minuten Regel“, ich möchte das hier nicht nochmal ausführen.
Twitter
Einige Reaktionen auf Twitter, mit meinen Antworten:
Es ist mein Ausdruck – ich habe es oben erklärt.
Ja, ich unterscheide durchaus nach Hausgröße, d.h. nach der Anzahl der Wohneinheiten. Ein Einfamilienhausbesitzer hat meist mindestens ein Auto.
Siehe oben stehender
Absatz zur Verknappung und den Folgen.
Fazit:
Mein Widerspruch gegen die Stellplatzsatzung ist keine Verteidigung des miV – und ich stehe zu dem letzten Satz der Pressemitteilung:
Lösungen aus Sicht der Fraktion Freibeuter sind ein gut getaktetes und verlässliches Angebot im Nahverkehr sowie autoarme oder autofreie Wohnquartiere: „Eine bewusste Entscheidung gegen das Auto kann nur fällen, wer aufgrund seiner Lebens- und Arbeitswelten auch auf das Auto verzichten kann.