Ich bin in den 1960er/1970er Jahren, ohne es zu wissen, im „ganz normalen Antisemitismus“ aufgewachsen.
Familiär durch den Katholizismus meiner Großeltern, für die die Juden Gottesmörder waren und überhaupt hatten diese den wahren Messias abgelehnt. Der Holocaust wurde in dem Zusammenhang nicht thematisiert.
In der real sozialistischen Gesellschaft waren Juden entweder Opfer des Nationalsozialismus oder, als Staat Israel, Feinde der sozialistischen Staaten.
Ich kannte nur diese beiden Seiten – einen jüdischen Menschen kannte ich nicht.
Das heißt, ich kannte mindestens einen allerdings ohne zu wissen, dass er Jude war. Das erfuhr ich erst später.
Warum schreibe ich das?
Bei einer Veranstaltung kam die Frage auf:
„Wie kommt es, dass der Antisemitismus überlebt hat?“
Es sind die Stereotype die überlebt haben.
Ob nun „Gottesmörder“, obwohl sich die Hochkirchen davon gelöst haben, oder die „jüdischen Banker“, also die Oppenheimer usw die in Antikapitalismus Debatten, auch bei der Occupy-Bewegung, auftauchen, oder in Gleichstellungsdebatten wenn die Bracha des Mannes „Danke dass Du mich nicht zur Frau gemacht hast“ zitiert wird, die Liste der Stereotype ließe sich fortsetzen.
Für mich ist die Gefahr des Antisemitismus am größten, wenn über den „Juden“ als Stereotyp gesprochen oder geschrieben wird und nicht über „jüdische Menschen“ – mit der Betonung auf Menschen.
Es war ein Lernprozess mich von dem Stereotyp zu lösen. Das ist lange her und hängt unmittelbar mit dem Kennenlernen jüdischer Menschen zusammen.
Mein Fazit ist:
Das Repetieren der Stereotype über den „Juden“ ist leider noch nicht beendet. Es steckt in vielen Ecken und kommt immer wieder heraus – Es macht den Antisemitismus, brutal gesagt, einfach und normal.
So lange wir das dulden ist der Antisemitismus weiter unter uns.
Bild von Anthony Scanlon auf Pixabay