Kameras der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum

Die Kameras im öffentlichen Raum, die durch die Stadt Leipzig und ihre Eigenbetriebe betrieben werden, konnten auf der gestrigen Stadtratssitzung nicht benannt und nachgewiesen werden. Zeit den Druck zu erhöhen.

Die Fraktion Freibeuter im Stadtrat Leipzig hat eine Pressemitteilung zu dem Thema „Erfassung von Kameras der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum“ veröffentlicht. Als Mitglied dieser Fraktion stimme ich dieser vollumfänglich zu – als Pirat geht sie mir nicht weit genug.

Auf meine Nachfrage in der gestrigen Stadtratssitzung stellte Bürgermeisterin Dubrau zwei Punkte fest:

  1. Die Stadt Leipzig versucht noch den Begriff „öffentlicher Raum“ zu definieren.
  2. Die Stadt Leipzig kann nicht nachweisen, wo diese Kameras installiert sind.

Ich möchte die Diskussion über den Begriff „öffentlicher Raum“ nicht führen, verweise aber auf Artikel 35 DSGVO Abs. 3 c, der lautet:

(3) Eine Datenschutz-Folgenabschätzung gemäß Absatz 1 ist insbesondere in folgenden Fällen erforderlich:

c) systematische umfangreiche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche;

Hier haben wir den Begriff „öffentlich zugängliche Bereiche“, der keiner weiteren Erläuterung bedarf.

Da die Stadt Leipzig, nach Aussage von Frau Bürgermeisterin Dubrau, keine Erkenntnisse bzw. Nachweise über die betreffenden Kameras hat, ist davon auszugehen, dass es auch keine Datenschutz-Folgenabschätzung lt. DSGVO oder allgemeine Datenschutz- und Löschkonzepte für derartige Einrichtungen der Stadt Leipzig und ihrer Eigenbetriebe gibt.

Es ist also für mich unerlässlich am 25.11.2019, bei der nächste Fraktionssitzung der Fraktion-Freibeuter, einen Antrag vorzulegen, der folgende Punkte beinhaltet:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt:

  1. Umgehend eine Aufstellung der Kameras, die in öffentlich zugänglichen Bereichen installiert und durch die Stadt Leipzig oder ihre Eigenbetriebe betrieben werden, vorzulegen.
  2. Für die Einrichtungen aus Punkt 1 sind die Datenschutz-Folgenabschätzungen gem. Art. 35 Abs. 3c, Datenschutzkonzepte und Löschkonzepte vorzulegen.
  3. Im Falle des Nichtvorhandenseins der entsprechenden Unterlagen sind die Einrichtungen, bis zur Herstellung eines DSGVO-konformen Zustandes, unverzüglich außer Betrieb zu setzen.
  4. Eine Verwertung von Aufnahmen, aus der Zeit des DSGVO-widrigen Zustandes, ist unzulässig.

Sollte die Fraktion den Antrag nicht als Fraktionsantrag übernehmen, werde ich diesen als Stadtrat der Piratenpartei stellen.

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Besuch bei den MOMO‘s

MOMO-The voice of disconnected youth ist eine Organisation von Jugendlichen für Jugendliche.

Für Freitag, den 08. November 2019, war ich zur 5. Bundeskonferenz der Straßenkinder eingeladen. Als Mitglied des Jugendhilfeausschusses im Stadtrat Leipzig war es für mich selbstverständlich diese Einladung anzunehmen, obwohl ich die Veranstaltung bereits am Mittag wegen anderer Termine verlassen musste.

Einleitend sei gesagt, dass mir das Thema Straßenkinder seit langem bekannt ist. Wie viele andere auch habe ich es aber wahrscheinlich zu einseitig gesehen und unterschätzt. Einseitig, weil von vielen Menschen diese Kids als ein Problem der Großstädte und in diesen als eines der unterprivilegierten Schichten gesehen werden. Die Unterschätzungen liegen zum Einen in der Anzahl der Straßenkinder, sie fliegen so zu sagen unter dem Radar, und zum Zweiten darin, dass man dazu neigt Patentrezepte für die „Beseitigung“ (auch wenn man den Terminus „Bekämpfung“ wählt wird es nicht besser) dieses Problems zu suchen.

Sorry Christian, dass ich mich nach unserem Gespräch in der Pause nicht zu Wort gemeldet habe. Ich war dort um zu lernen, nicht um weise Sprüche von mir zu geben. Ich habe lieber zugehört und in den Pausen persönliche Gespräche geführt.

Christian hatte mich aufgefordert einen Gedanken öffentlich zu äußern der mich schon lange umtreibt. Der Gedanke ist folgender:

Wir sind in der Jugendhilfe teilweise bei A.S. Makarenko und seinen беспризорный * (besprizornyy) stehen geblieben. Bei dem Ansatz aus den obdachlosen Kindern und Jugendlichen „wertvolle Mitglieder“ unserer Gesellschaft zu machen. Mitglieder der Gesellschaft die sie ausgestoßen hat und ablehnt. Wir müssen sie also zuallerest akzeptieren, so wie sie sind.“

Mir drängt sich da geradezu zwanghaft eine Analogie auf, die ich in Bezug auf geflüchtete Menschen formulierte. Ich beschrieb das so:

Sie sitzen vor dem Schaufenster, können sogar durch unsere Welt gehen – aber bitte nur als Zuschauer, nicht als Teilnehmer. Nach Jahren dieses Zustandes fordern wir dann eventuell gnädigerweise „Jetzt müsst Ihr teilnehmen! Aber dalli!“ Wie soll das funktionieren?

Genug davon, was habe ich gelernt?

Es gibt viele Herausforderungen die wir angehen müssen, die nachfolgenden sind nur ein Auszug aus dem was ich mitgenommen habe.

  • Aus den Gesprächen und Wortbeiträgen sehe ich, dass der Erfahrungshorizont der dort beteiligten Kids weit über dem gleichaltriger Kinder und Jugendlicher liegt. Wir müssen uns angewöhnen sie so zu behandeln. Ein Beispiel wurde genannt: Ein 13jähriger der seit Jahren seine kleinen Geschwister und sogar seine Eltern versorgt hat, kann auch selbständig leben. Das muss man nicht gut und richtig finden – aber man muss ihn entsprechend seiner Lebenserfahrungen behandeln.
  • Es ist schlicht und ergreifend falsch, wenn die Altersgrenze von 18 Jahren das Ende von HZE (Hilfe zur Erziehung) bedeutet und somit der Anspruch z.B. auf das Leben in einer Wohngruppe endet, ohne adäquaten eigenen Wohnraum bereit zu stellen.
  • Die Bürokratiehürden für die Beantragung und Gewährung der zustehenden Hilfen müssen gesenkt werden. Einfachere Sprache in den Formularen ist dafür erforderlich und vor allem muss die Verantwortung der Bearbeiter in den Ämtern eingefordert werden. Es kann nicht sein, dass Hilfe zum Überleben an einem fehlerhaft ausgefülltem Formular scheitert. Das gilt nicht nur für Straßenkinder sondern für viele Menschen die staatliche Hilfen in Anspruch nehmen müssen.
  • Niedrigschwelliger Zugang zu anderen Hilfsangeboten ist erforderlich. Hilfe zum Überleben darf nicht von so genannter „Kooperationswilligkeit“ abhängig gemacht werden. Dazu gehört auch die Erreichbarkeit der Hilfsangebote mit dem ÖPNV, auch wenn man kein Geld hat. Freie Nutzung des ÖPNV für Kinder und Jugendliche, besonders die damit einhergehende Entkriminalisierung des Schwarzfahrens, gehören dazu.

Es gibt viele weitere und vielleicht auch wichtigere Erkenntnisse die ich bei den MOMO‘s gewonnen habe und die mich in meiner weiteren Arbeit beeinflussen werden, aber ich will ja hier kein Buch schreiben.

Die wichtigste Erkenntnis in einem Satz:

Hört den Straßenkindern zu und handelt!

Am Ende noch einmal Danke an MOMO und Karuna für die Einladung und die Gespräche. Ich hoffe wir bleiben in Verbindung.

* беспризорный – in der Bedeutung von: obdachlose, verwahrloste, aufsichtslose Kinder und Jugendliche – so nennt Makarenko seine Zöglinge

07.11.2019 Stadtrat Leipzig – Linksextremismus

Gestern fand im Stadtrat Leipzig die „Debatte“ über Linksextremismus statt. OBM Jung verglich die Anschläge gegen Baukräne, Mülltonnen und eine Projektentwicklerin mit den Anfängen der RAF. Von den Linken kam eine eindeutige Distanzierung von den Gewalttätern – leider auch eine Aufrechnung mit rechter Gewalt. Diese ist zwar richtig, im Kontext klang sie für einige wohl mehr nach Relativierung. Von den Rechten und der CDU will ich hier nicht reden, es war erwartbar, dass Jule Nagel persönlich verantwortlich gemacht wird und mit ihr die gesamte Partei „Die Linke“.

Ansonsten gab es nur 5 Minuten je Fraktionen für Statements und keine Diskussion über dieses Thema. Somit hier mein vorbereitetes (unverändertes) Statement – in der Rubrik „Was ich sagen wollte“. Leider ist meine am Ende beschriebene Befürchtung eingetreten: Die Debatte wurde von fast allen für den Oberbürgermeister-Wahlkampf missbraucht. Dazu zählen auch die Vorwürfe gegen den OBM, er wäre quasi mit Terroristen ins Bett gekrochen. Wurde natürlich vornehmer formuliert.


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren Beigeordnete,
Werte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
Werte Gäste


Ich habe die Anwendung von Gewalt als Kampfsportler und als Soldat erlernt, angewendet und auch selbst in verschiedenen Situationen erfahren. Ich verabscheue Gewalt – egal zu welchem vermeintlich höheren Ziel sie eingesetzt wird.
Egal worüber wir politisch streiten, nichts rechtfertigt die Anwendung von Gewalt gegenüber Menschen oder auch Dingen, außerhalb der Notwehr oder Nothilfe. Und diese Begriffe sind definiert und dürfen nicht aufgeweicht werden.
Ein Kran, eine Baustelle, eine Mülltonne oder eine Projektentwicklerin führen keinen „gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff“ auf jemanden, der die Zerstörung von Dingen oder Körperverletzung an Menschen als „verhältnismäßig“ rechtfertigt.
Es sollte also nicht schwer fallen, sich von Taten vermeintlicher Anhänger zu distanzieren.
Das gilt für alle in deren Namen und nach deren Ideologie solche Taten begangen werden, egal wo sie politisch verortet sind.
Wir, als gewählte Vertreter der Leipziger BürgerInnen, tragen dabei eine hohe Verantwortung. Aus unserer Rhetorik und unserem Sprachgebrauch beziehen auch Extremisten ihre Motivation. Unsere Schuldzuweisungen werden in den öffentlichen Diskurs durch die Medien eingebracht.
In dem Zusammenhang sehe ich den Namen des Soko – nämlich LINX (mit x) hier, vorsichtig gesagt, problematisch. Dieser Name assoziiert eine Verbindung zu linXXnet und somit zur Kollegin Nagel und der gesamten Linkspartei in Leipzig.
Die Verwendung dieses Namens ist eine politische Botschaft, wie sie nicht perfider sein könnte. Sie stellt in der Zeit des Oberbürgermeister-Wahlkampfes die Partei „Die Linke“ unter Extremismus Verdacht und die Parteien die diesen Namen befürworten unter den Verdacht der Wahlbeeinflussung zugunsten ihrer Kandidaten.
Wir sind gerade wieder dabei ein Stück Vertrauen unserer Wähler in uns und in die Demokratie zu verspielen.
Wir sollten schleunigst damit aufhören.

Ich sehe den Reaktionen gelassen entgegen.

Bild von Pavlofox auf Pixabay