Tempo 30 -Modellversuch in Leipzig

Ich wollte zu den Ratsversammlungen im Stadtrat Leipzig, am 24. und 25. März 2021, eigentlich einen zusammenfassenden Artikel schreiben. Dieser wäre aber zu lang und unübersichtlich geworden, deshalb entschied ich mich, ihn nach Themen gegliedert aufzuspalten. Zuerst also das Thema „Tempo 30 in der Stadt“.

Die Ausgangslage

Auf dem Tisch lagen 2 Anträge und ein gemeinsamer Verwaltungsstandpunkt. Zuerst der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Vorlage – VII-A-02284Tempo 30 als Regelhöchstgeschwindigkeit in 3 Gebieten erproben – für mehr Sicherheit, weniger Lärm und bessere Luft!“, dann der Antrag der Fraktion Die Linke, Vorlage – VII-A-02304Tempo 30 im Stadtgebiet“, zu beiden gab es einen Änderungsantrag der SPD-Fraktion Vorlage – VII-A-02304-ÄA-02 und einen gemeinsamen Verwaltungsstandpunkt Vorlage – VII-A-02304-VSP-01 des Dezernats Stadtentwicklung und Bau.
Kein Grund zur Verwirrung, man muss nicht die einzelnen Anträge lesen, es kommt ja auf den Beschluss an.

Der Beschluss

Abgestimmt wurde letztendlich der gemeinsame Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE in der 3. Neufassung Dieser nahm den Verwaltungsstandpunkt auf und wurde mit Mehrheit beschlossen. Was wurde da eigentlich beschlossen?

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, mit mehreren deutschen Städten und unter Einbezug des Deutschen Städtetags, die Rahmenbedingungen für einen Modellversuch zur testweisen Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts in einem abgegrenzten Stadtgebiet zu untersuchen, den Inhalt einer wissenschaftlichen Begleitung abzustimmen, sowie den Modellversuch anschließend mit diesen und/oder weiteren Städten durchzuführen. 
  2. Der Oberbürgermeister unterbreitet dem Stadtrat bis Ende des 4. Quartals 2021 einen Vorschlag, welches abgegrenzte Stadtgebiet in Leipzig für einen solchen Modellversuch sinnvoll nutzbar wäre.
  3. Der Oberbürgermeister setzt sich im Rahmen der Definition dieses Modellversuchs dafür ein, dass der Versuchsaufbau so gewählt wird, dass neben Betrachtungen des Verkehrsflusses eben auch Fragen der zu erwartenden Schadstoffemissionen und der Verkehrssicherheit eine besondere Berücksichtigung finden. Da eine Tempo-30-Regelung immer dann einen besonderen Einfluss auf den ÖPNV hat, wenn er sich den Straßenraum mit dem motorisierten Verkehr teilt, sollen für den Versuch in Leipzig auch die Leipziger Verkehrsbetriebe eingebunden werden.

Regelgeschwindigkeit – was bedeutet das?

Was bedeutet eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h eigentlich wirklich, die Frage ergibt sich sowohl aus den Diskussionsbeiträgen im Stadtrat, als auch aus der medialen Berichterstattung. Es sei mir gestattet nicht weiter darauf einzugehen.
Die Details der Einführung einer Regelgeschwindigkeit 30 möchte ich kurz, in vereinfachter Form, erläutern.

  1. Das ausgewählte Gebiet wird markiert, d.h. an den Gebietsgrenzen werden „Zone 30“ Schilder aufgestellt.
  2. Sämtliche Verkehrsschilder „Tempo 30“ werden entfernt.
  3. Die vorher, nach plausiblen Kriterien wie Straßenbreite, Ausbau der Kreuzungsbereiche, Ampelschaltungen usw, ausgewählten Hauptverbindungsstraßen werden mit „Tempo 50“ Schildern markiert.
  4. Der Test beginnt.

Ist das so einfach?

Die älteren Menschen unter uns erinnern sich an die Witze mit „Anfrage an Sender Eriwan“, bei denen die Antworten immer waren „Im Prinzip ja, aber…“. Ganz so einfach ist es nicht, das Prinzip stimmt aber. Wichtig sind hier 2 Dinge.

  1. Die Kriterien für Abweichungen von der Regelgeschwindigkeit
  2. Tempo 30 gilt überall, wo keine abweichenden Regelungen getroffen wurden.

Punkt 2 (der auch Punkt 1 sein könnte) erklärt sich von selbst, mit „Tempo 50“ ist das heute schon genau so.

Kommen wir also zu Punkt 1. Was könnten Kriterien für die Abweichung von der Regelgeschwindigkeit sein?

Was ändert sich wirklich?

„Tempo 30“ als Regelgeschwindigkeit ist ein Paradigmenwechsel in der Bewertung des Verkehrsraumes. Es wird nicht mehr gefragt „Unter welchen Bedingungen können wir eine Straße oder ein Gebiet auf Tempo 30 herabsetzen?“. Die Frage ist:

„Wie muss eine Straße beschaffen sein, damit dort mit „Tempo 50“, oder auch schneller gefahren werden kann?“

Ich erinnere hier an die, am gleichen Tage behandelte, Petition, Vorlage – VII-P-01815, „Konzept für Nutzung Lützowstraße für Radfahrer / Bahn / PKW“. Genau dort stünde die Frage an, ob die Lützowstraße zwischen Gohliser Straße und Georg-Schumann-Straße für eine Geschwindigkeit von 50 km/h geeignet ist. Heute steht die Frage nach den rechtlichen Kriterien, nach denen eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingerichtet werden darf.
Am Rande nur:
Funfact: Dort kann, zumindest am Tag, nicht schneller als 30 km/h (wenn überhaupt) gefahren werden. Es sind aber 50 km/h erlaubt.

Risiken und Nebenwirkungen

In den Medien, Ausführungen von Wirtschaftsvertretern und auch in den Redebeiträgen von StadträtInnen von CDU und AfD war und ist die Rede von Schleichverkehr, Dauer-Stau, Behinderung des Wirtschaftsverkehrs usw. Meiner Meinung nach sind, mit einer vernünftigen Bewertung des Verkehrsraumes und der daraus resultierenden Freigabe von geeigneten Straßen für „Tempo 50“ oder sogar höher (Schnellstraßen), diese Gefahren in keiner Weise gegeben.

Natürlich werden auch heutige „Tempo 50“-Straßen auf 30 km/h herabgesetzt werden, allerdings eben die „nicht für höheres Tempo geeigneten“ Straßen. Also diejenigen(Ergo die), auf denen auch heute schon „Tempo 50“ bloß eine theoretische Geschwindigkeit ist.

Das Risiko für die Antragsteller besteht darin, dass die wissenschaftliche Begleitung des Versuchs keine oder nur geringe Ergebnisse bei den Intentionen „mehr Sicherheit, weniger Lärm und bessere Luft“ erbringt.

Fazit

Eine Bewertung des Verkehrsraumes unter dem oben genannten Kriterium:

„Wie muss eine Straße beschaffen sein, damit dort mit „Tempo 50“, oder auch schneller gefahren werden kann?“

sehe ich als dringend erforderlich an. Mit wissenschaftlicher Begleitung, gerade bei der Erstellung eines Kriterienkatalogs für Abweichungen von der Regelgeschwindigkeit werden sich mEn keine negativen, eher positive, Aspekte für den Verkehrsfluss ergeben.

Wichtig ist, das versteh sich von selbst, die Einbindung der LVB in das Konzept. Gerade für die Gestaltung des ÖPNV muss hier auch eine Neubewertung von Fahrzeiten, ergo eventuell eine Änderung der Fahrpläne, erfolgen.

Wichtig ist auch, die mit einer eventuellen Geschwindigkeitseinschränkung verbundene, Änderung von Ampelschaltungen im großen Maßstab um auf die Veränderungen zu reagieren.

Entscheidend ist aber, wie immer, der menschliche Faktor.

Wenn AutofahrerInnen aus Trotz, oder anderen Motiven heraus, die Neuregelungen nicht mittragen und geradezu sabotieren, indem sie zum Beispiel trotz störungsfrei flüssig laufendem Verkehr auf Nebenstraßen ausweichen um „zu zeigen, dass ich da 1 Minute spare“, dann gibt es vorprogrammierte Negativaspekte.

Es bleibt also zu hoffen, dass sich die Mehrheit der Beteiligten dem Versuch nicht verweigern.

Bild von Doris Metternich auf Pixabay

Germany – Wenn der Staat digitalisiert

Ich werde im folgenden Text bewusst nicht auf technische Details eingehen, weil das manche Leser*innen verunsichern würde. Es geht um die vollmundige Ankündigung der Parteien der GroKo die Digitalisierung in Deutschland beschleunigen zu wollen.

Schauen wir uns in der nächsten Zeit die Projekte, eins nach dem anderen, an.

Sollte jemand auf Spuren von Ironie oder Zuspitzungen im Text stoßen, diese sind bewusst gesetzt.

1. CDU – Der digitale Personalausweis

Der digitale Perso scheint schon mal eine gute Idee zu sein wenn man bedenkt, dass Menschen der Generationen x und z eher den Perso als das Smartphone zu Hause liegen lassen.

Gerade für diese Generation sollte allerdings das „Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis (Personalausweisgesetz – PauswG)“, besonders §4 „Eigentum am Ausweis; Ausweishersteller; Vergabestelle für Berechtigungszertifikate“ und hier der Abs. 2 wichtig sein. Der lautet:

(2) Ausweise sind Eigentum der Bundesrepublik Deutschland.

Ätsch, euer Smartphone gehört dem Staat.

Das Smartphone nicht mehr mitnehmen zählt auch nicht, denn wie es im Abs. 1 bestimmt wird, habt ihr den analogen Perso ja nicht mehr. Da steht schließlich:

(1) Niemand darf mehr als einen auf seine Person ausgestellten gültigen Ausweis der Bundesrepublik Deutschland besitzen.

Der digitale Personalausweis ist dann wohl das Origial und wie auch jetzt kann sich niemand mit einer Kopie ausweisen. Ich will nicht auf technische Bedenken eingehen, wie Duplizierbarkeit von digitalen Inhalten oder ähnlichem. Das könnte zu Verwirrung führen. Es seht eben im Gesetz, dass es nur ein Exemplar gibt und geben darf (s.o.).

Gesetze können natürlich geändert werden, das oben stehende sollte das Problem illustrieren. Nachfolgend gehe ich ein wenig auf die Handhabung des digitalen Perso ein.

Der Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland beinhaltet, neben den ersichtlichen Daten wie Name, Geburtsdatum, Wohnanschrift usw, ein biometrisches Passbild (braucht man für automatische Gesichtserkennung) und ab 01.08.2021 einen elektronisch gespeicherten Fingerabdruck. Voraussichtlich wird, nach dem kürzlichen Bundesratsbeschluss, auch die Bürgernummer (ehem. Steuer ID) demnächst Bestandteil des Personalausweises. Gehen wir also in die Praxis:

„Guten Tag, Personenkontrolle. Ihren Personalausweis bitte.“

So könnte Sie ein/e Polizist*in ansprechen. Sie geben also Ihr Smartphone hin, natürlich entsperrt und mit geöffneter Perso-App.

Entsperrt, da war doch was? In dem Moment hat der Beamte oder die Beamtin Zugriff auf alle auf dem Smartphone gespeicherten Daten, wie Fotos, Videos, Chats usw – also auf alles wofür heute ein richterlicher Beschluss notwendig ist.

Hier erscheint mir auch wichtig zu sein, dass der Zwang zur Identifizierung mit dem Zwang zur Entsperrung des Smartphones einhergehen wird. Der Traum der Sicherheitsbehörden, aber der Albtraum für mich.

Lassen wir das aber außer acht, wir vertrauen ja der Polizei (Der musste jetzt raus).

Wie weise ich nach, dass es wirklich mein Smartphone und nicht das meines, mir ähnlich sehenden, Bruders ist? Irgendeinen Sinn für die eindeutige Identifizierung muss der digitale Perso ja haben. Also wird sich die Perso-App (im besten Falle) nur mit Fingerabdruck-Scan öffnen lassen, oder (im schlechtesten Fall) benötige ich zwingend die Fingerprint-Entsperrung für das Smartphone.

In beiden Fällen gehört mein Fingerabdruck dann nicht nur dem Staat, sondern auch Google, Apple oder Microsoft und dem Gerätehersteller. Das lasse ich jetzt mal so stehen.

Ein Hinweis noch, mit dem digitalen Perso wird dann natürlich beim Massen-Tracking von Handys, z.B. bei Demos, nicht mehr nur eine Mobilfunknummer, die dann nachverfolgt und zugeordnet werden muss, erfasst .

Es wird künftig eine konkrete Person mit allen Daten – bis hin zur Steuererklärung erfasst.

Natürlich wird der Staat alle Anstrengungen unternehmen den digitalen Perso sicher zu machen – er wird ihn sozusagen „digital panzern“ werden. Dazu der treffende Spruch aus meiner Armeezeit:

„Den Wettlauf zwischen Panzer und Geschoss, gewinnt am Ende immer das Geschoss.“

Demnächst: Digitaler Impfpass