Barrierefreiheit – erweitert gedacht

Die Treppe ist wohl das Symbol der Barriere für Menschen mit Behinderungen. Geschichtlich gesehen bauten Menschen, bevor sie Treppen bauten, einfach Rampen. Nicht wegen der Inklusion – eine Rampe war einfacher zu errichten. Die Treppe setzte sich wahrscheinlich aus Platzgründen durch. Rampen waren gegenüber Treppen zur Überwindung des gleichen Höhenunterschiedes zu lang und wenn man sie steiler machte, war der Bau zu kompliziert. Eine Treppe war hier einfach besser geeignet.

Aber genug von dieser Vorbetrachtung, die eigentliche Frage ist: „Welche Barrieren gibt es?“

Ich meine:

Barrieren hindern Menschen an der gesellschaftlichen Teilhabe, schränken die Freiheit der Menschen ein und nehmen ihnen ihre Würde.

Physische Barrieren

Diese erschweren das Leben derjenigen Menschen, die nicht der gesundheitlichen Norm entsprechen. Also Treppen für Gehbehinderte, der auf Seh- und Hörfähigkeit ausgelegte Verkehrsraum für Seh- und Hörbehinderte – es lassen sich hierbei zu viele Beispiele finden, um sie alle aufzuzählen.

Es ist in den letzten Jahrzehnten viel geschehen, um Menschen mit Behinderungen die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, aber von „umfassender Teilhabe“ kann noch lange keine Rede sein.

Ein kleines Beispiel sind die barrierefreien Haltestellen der Tram in Leipzig. Diese sind für Menschen mit Geh-Behinderungen schon gut ausgebaut. Für seh- und hörbehinderte Menschen fehlen jedoch oft entsprechende Maßnahmen. Der Weg zur Haltestelle, die Gehwege im allgemeinen, sind hierbei noch problematischer. Um es auf den Punkt zu bringen:
Die Gehwege, gesamtstädtisch betrachtet, sind nur für normativ gesunde, junge und fitte Menschen gefahrlos nutzbar.

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, vor allem bezüglich dem Zugang zu Kultureinrichtungen, Verwaltungen und den normierten Ausstattungen von Wohnhäusern und Wohnungen, muss ich auf einen weiteren wichtigen Punkt hinweisen. Die Menschen leben länger. Im Alter gibt es nun einmal gesundheitliche Einschränkungen. Man sieht also:
Barrierefreiheit (im physischen Sinne) ist nicht nur für Menschen mit Behinderungen notwendig, sondern auch für eine wachsende Anzahl von Menschen im fortgeschrittenen Alter.

Gesellschaftliche Barrieren

1. Geld

Die erste gesellschaftliche Barriere ist das Geld. Ohne dieses ist die Teilhabe grundsätzlich stark eingeschränkt. Das beginnt, neben den ebenfalls wichtigen Bereichen Ernährung, Wohnen und Kleidung, mit unserem Bildungssystem.
Natürlich, die Schulbildung ist kostenlos. Während der Schulzeit eines Kindes entstehen jedoch Zusatzkosten, die Besserverdienende begünstigen. So können Familien aus dem Mindestlohnbereich – ebenso Hartz IV-beziehende Familien – ihr Kind noch unter erheblichem Aufwand bis zum Abitur bringen, aber wenn es studieren will, beginnt ein wahres Drama:
Das verfügbare BAFÖG reicht nicht aus für den Semesterbeitrag und die Miete im Studentenwohnheim mit allen täglichen Ausgaben, wenn es in direkter Nähe zum Wohnort keine Uni bzw. nicht den angestrebten Studiengang gibt. Das studierende Kind (ich rede hier vom Kindschaftsverhältnis zu den Eltern) muss nebenbei arbeiten, um sich zu finanzieren. Abgesehen vom Zeitaufwand ist, wie wir durch Corona gesehen haben, der Studentenjob oft eben kein sicherer Zuverdienst.

Weitere, mir wichtig erscheinende, gesellschaftliche Barrieren neben dem Geld sind Geschlecht, sexuelle Veranlagung, äußere Erscheinung und Alter.

2. Geschlecht

Ich gehe hier bewusst nicht in die Feminismus-Debatte hinein, ich rede allgemein über Geschlechter-Stereotype. Ob nun eine Firma lieber einen Mann oder eine Frau als Maschinenbauingenieur einstellt, ob eine Kita lieber eine Frau als einen Mann als Erzieher (eventuell wegen Bedenken der Eltern), ist hierbei erst einmal unbedeutend.
Natürlich sind Frauen weit mehr von diesem Ausschluss betroffen, grundsätzlich ist aber jeder Teilhabe-Ausschluss auf Grund des Geschlechts einer zu viel.

Es fällt schwer, über Menschen mit anderen, nicht binären, Geschlechtsidentitäten Aussagen zu treffen. Gerade weil sie von der Gesellschaft oft nicht akzeptiert werden, treten Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten oft nach außen in einer, der gesellschaftlichen Norm entsprechenden, Rolle auf. Wenn sie diese ablegen und auf ihre Identität bestehen, ist der Ausschluss oft vorprogrammiert.
Hier muss ich auf die Erfahrung mit einer bekennenden Transfrau zurückgreifen. Beruflich gab es keine Benachteiligungen, allerdings reden wir hier von einem eher schon prekären Arbeitsverhältnis. Sie war auf der Arbeitsstelle weitgehend isoliert. Es lag nicht an ihr.

3. Sexuelle Veranlagung

Es ist wohl leichter geworden, gegenüber meiner Jugendzeit in den 1970ern, eine nicht-heterosexuellen Veranlagung öffentlich zu leben. Allerdings gibt es auch heute noch die Stereotype, die als Barrieren nicht-heterosexuelle Menschen an der gesellschaftlichen Teilhabe hindern. So wird, wider besseres Wissen, oft noch ein schwuler Lehrer als pädosexuell angesehen.
Das erinnert mich an die gesellschaftliche Behandlung des ersten Schwulen, den ich kennenlernte:
Eine ältere Bekannte meiner Eltern hatte mich (damals 13) gewarnt. Der Mann würde sich an kleinen Jungs vergreifen. Dieser alte Zopf ist immer noch nicht abgeschnitten und oft werden diese Menschen gesellschaftlich ausgeschlossen oder behindert.

4. Äußere Erscheinung

Ich subsumiere hier mal alles, was mit der äußeren Erscheinung – also nicht mit den Menschen an sich – zusammenhängt. Auch wenn das so nicht üblich erscheint.
Ob ein Mensch, wegen der äußerlich erkennbaren Herkunft, des äußerlich sichtbaren Glaubens, des nicht der Norm entsprechenden Körpers, der Kleidung oder anderer Äußerlichkeiten, nicht ins propagierte Gesellschaftsbild passt, ist dabei egal.
Wenn durch die äußere Erscheinung Vorbehalte entstehen, die zu einem gesellschaftlichen Ausschluss führen, dann ist auch das eine Barriere, die es zu überwinden gilt.

5. Alter

„Jugend ist keine Schande und Alter kein Verdienst“ oder „Alter ist keine Schande und Jugend kein Verdienst“ – egal wie herum man den Spruch dreht, es bleibt eine Tatsache. Das Alter, egal in welcher Form, stellt oft eine Barriere in der Gesellschaft dar.
Jungen Menschen wird die Fähigkeit abgesprochen, komplexe (politische wie wirtschaftliche) Zusammenhänge, mangels Erfahrung, zu begreifen.
Den Alten wird, trotz dieser Erfahrung, die Mitsprache bei Zukunftsthemen abgesprochen.
Am Arbeitsmarkt verhält es sich ähnlich: Die Jungen haben keine Berufserfahrung, also bekommen sie den Job nicht und die Alten sind nicht mehr so belastbar, also bekommen sie ihn auch nicht.
Altersdiskriminierung geht in beide Richtungen – die Barriere ist hierbei die zu geringe oder zu hohe Anzahl von Lebensjahren.

Fazit:

Frei nach Shakespeare:

„Es gibt mehr Barrieren zwischen Himmel und Erde, Horatio, von denen sich eure Schulweisheit nichts träumen läßt.“

Die physischen Barrieren abzubauen, kostet Geld und Arbeit. Die gesellschaftlichen Barrieren zu überwinden, sollte eine gemeinsame Aufgabe aller sein. Für dieses „gemeinsam“ brauchen wir viel Bildung und keine Aufspaltung der Gesellschaft durch Identitätspolitik.

Diese Barrieren abzubauen ist mein Ziel.

Dafür stehe ich als Pirat.

Bild von Karsten Bergmann auf Pixabay

21.07.2021 – Stadtrat Leipzig – Graffiti

Ich gebe zu, dass ich ein Fan von Streetart bin und ich meine:

„Leipzig könnte mehr Farbe gebrauchen“.

Aus diesem Grund hatte ich meine Probleme mit dem Antrag der Linken, eingebracht von Jule Nagel, zum Thema „Graffiti-Prävention“. Der Ausdruck erscheint mir völlig ungenau zu dem Thema zu passen und er provoziert Ablehnung und Änderungsanträge, wie den der CDU.

Ich habe mich also als quasi Oberlehrer hingestellt, zum Thema gesprochen und eine Änderung – die die Linke übernommen hat – beantragt.

Der so geänderte Antrag

Nachhaltige Street-Art-Graffiti-Koordinierung bei städtischen Bau- und Gestaltungsvorhaben obligatorisch berücksichtigen.

wurde in beiden Punkten beschlossen.

Jetzt der Redebeitrag:

Worüber reden wir bei diesem Antrag eigentlich?
Die Linke beantragt „Nachhaltige Graffiti-Prävention“. Nun ist aber Prävention ausgerichtet auf Vermeidung, nicht nur allgemeinen Sprachgebrauch. Richtig wäre hier Gaffiti-Koordinierung, deshalb heißt die entsprechende Stelle ja auch „Koordinierungsstelle Graffiti“.
Ich begreife natürlich den präventiven Ansatz, der mit der Bereitstellung legaler Flächen für Graffiti verfolgt wird, finde die Wortwahl in dem Zusammenhang schwierig.
Die Verwendung des Begriffs „Graffiti-Prävention“ rechtfertigt jedenfalls den Änderungsantrag der CDU, dem ich übrigens nicht zustimme.
Was meint der Antragsteller eigentlich mit Graffiti?
Graffito oder Sgraffito bedeutet, lt. Meyer 1871, eine Art Freskomalerei – also eine Malerei auf Putz – verkürzt erklärt. In der heutigen Bedeutung meint man damit die Anbringung von Bildern, Schriftzügen oder Zeichen – ohne genauere Inhalte und nicht eindeutig als Kunst beschrieben.
Ich meine, dass der Antrag das Street-Art-Graffiti beschreiben will dies aber, aus mir nicht ersichtlichen Gründen, nicht so beschreibt.
Deshalb beantrage ich die Änderung des Titels:
Nachhaltige Graffiti-Prävention Street-Art-Graffiti-Koordinierung bei städtischen Bau- und Gestaltungsvorhaben obligatorisch berücksichtigen.
Im Text ist „Graffitiprävention“ durch Street-Art-Graffiti-Koordinierung zu ersetzen.

Bild von Hands off my tags! Michael Gaida auf Pixabay

21.07.2021 – Stadtrat Leipzig – Baustellenampeln

Gestern kam, bevor im Herbst der Antrag zu Fußgängerampeln aufgerufen wird, der Antrag der Freibeuter zu Baustellenampeln zur Abstimmung.

Ursprünglich von einem Fraktionskollegen als Antrag zur „grünen Welle“ geschrieben, haben wir ihn qualifiziert zu einem Antrag der für alle Verkehrsarten gilt.

Auch wenn die Verwaltung meint, dass sie da schon genug tut, ich habe in meinem nachfolgenden Redebeitrag auf Unterlassungen hingewiesen.

Der Antrag wurde vom Stadtrat beschlossen.

Jetzt der Redebeitrag:

Kennen Sie die Situation, Sie stehen an einer roten Ampel – egal ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto – und die Ampel regelt einen Verkehrsfluss, der so nicht vorhanden ist weil einmündende Straße durch eine Baustelle gesperrt ist?
Natürlich ist die Begründung unseres Antrages auch auf den Autoverkehr ausgelegt. Die Unterbrechung des Verkehrsflusses in der so genanten „grünen Welle“ ist ja ein allen verständliches Ärgernis. Der Antrag betrifft aber nicht nur die zeitweiligen Lichtsignalanlagen, sondern auch die ortsfesten. Und er betrifft nicht nur Autofahrer sondern alle Verkehrsteilnehmer.
Die Taktung an den Baustellen anpassen bedeutet ja auch zum Beispiel, dass sich die Situation an der Baustelle der LVB am Gordelerring nicht wiederholt, als Fußgänger und Radfahrer eine rote Ampel hatten, wenn sie eine voll gesperrte Straße überqueren wollten. Theoretisch, lt. StVO beging jeder Mensch der dort bei Rot lief einen Rotlichtverstoß.
Es gibt andere Beispiele, bei denen ortsfeste LSA den Verkehr, auch hier wieder Fuß-, Rad- und Autoverkehr, an einer Einmündung anhielten die voll gesperrt war.
Hier und auch besonders an zeitweilig eingerichteten LSA an Baustellen, sehen wir dringenden Handlungsbedarf für eine Koordinierung im Zuge von Baustelleneinrichtungen. Dass es bei kurzzeitigen Baustellen nicht immer möglich ist, ist verständlich. Bei langfristig bestehenden Baustellen sollte das aber beachtet werden.
Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

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