21.07.2021 Stadtrat Leipzig – Barrierefreiheit

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Gestern durfte ich auch den Antrag des Behindertenbeirats mit dem, zugegeben etwas sperrigen, Titel

Systematische Berücksichtigung der behinderungsbedingten Mobilitätseinschränkung von Eltern bei der Kitaplatzvergabe

im Stadtrat Leipzig einbringen.

Die Intention des Antrags ist einfach, Eltern mit behinderungsbedingten Mobilitätseinschränkungen sollen für ihre Kinder einen Anspruch auf eine barrierefreie Kita haben. Dazu nachfolgend mein kurzer Wortbeitrag.

Die Verwaltung meinte, wir müssten da noch lange reden und wollte den Verein „Leben mit Handicaps e.V.“ nicht mit im Boot haben. Wir meinten, dass der Antrag so bleiben soll wie er ist.

Der Originalantrag wurde abgestimmt und vom Stadtrat bestätigt.

Nachfolgend der Redebeitrag:

Der Behindertenbeirat begehrt, dass Eltern mit behinderungsbedingten Mobilitätseinschränkungen bei der Kitaplatzvergabe systematisch berücksichtigt werden.
Ich glaube, ich muss hier nicht viel erklären. Ein Elternteil mit Mobilitätseinschränkungen, dessen Kind einen Kitaplatz in einer nicht barrierefreien Kita bekommt, ist an der Teilnahme an Veranstaltungen der Kita, oder selbst an einfachsten täglichen Teilhaben beschränkt. Im Klartext, dieses Elternteil kann das Kind nur am Beginn der Barriere abgeben und abholen.
Wir bedanken uns für den fast zustimmenden Verwaltungsstandpunkt, möchten aber den Originalantrag abstimmen lassen.
Der Satz 1 unseres Antrages lautet:
Die Stadtverwaltung erarbeitet gemeinsam mit dem Behindertenbeirat sowie dem Verein Leben mit Handicaps e.V. bis zum Ende des III. Quartals 2021 ein Verfahren, durch das der Bedarf eines wohnortnahen Kitaplatzes aufgrund einer Mobilitätseinschränkung von Eltern mit Behinderung systematisch erfasst und bei der Kitaplatzvergabe berücksichtigt wird.
Wichtig hierbei ist, dass der Beirat und der Verein hier nur in die Erarbeitung des Verfahrens, also z.B. Aufnahme eines Punktes „Mobilitätseinschränkung eines Elternteils“ in das Beantragungsverfahren, involviert ist. Die Erfassung der Daten zu Bedarfen und besonders personenbezogener Daten ist somit Verwaltungshandeln. Das ist der Weg der Datenschutzkonform ist.
Die Verwaltung sagt in der Begründung zu Punkt 1:
„Um zusätzliche, rechtssichere Hilfestellungen für mobilitätseingeschränkte Eltern zu erarbeiten, wird ein regelmäßiger Austausch zwischen dem Amt für Jugend und Familie und dem Behindertenbeirat der Stadt Leipzig zu Bedarfen …“
Es geht hier nicht genau hervor, welche Daten dort ausgetauscht werden sollen und es ist nicht die Intention und Aufgabe des Behindertenbeirats Bedarfe zu ermitteln.
Des weiteren sehen wir die Nutzung der Erfahrungen und des know how des Vereins „Leben mit Handicaps e.V.“ als zielführend an. Eine genaue Form der Beteiligung wäre zu verhandeln.
Ich bitte um Zustimmung zum Antrag.

Bild von Manfred Steger auf Pixabay

Stadtrat Leipzig 21.07.2021 – Abschleppen

Die never-ending-story ging gestern weiter. Nach den Anläufen zum „Abschleppen von Falschparkern“ im Stadtrat Leipzig (ich schrieb mehrfach darüber) kam gestern der Antrag „Veröffentlichung von Arbeitsanweisungen im Ordnungsamt “ zur Abstimmung. Wie die LIZ sehr ausführlich berichtete, verweigerte die Stadtverwaltung dem Fachausschuss Umwelt/Ordnung/Klima die Einsicht.

Der Antrag war ganz einfach formuliert:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Arbeitsanweisungen Nr. 05/1993 „Abschleppen und Verfahren verkehrsordnungswidrig parkender Fahrzeuge“ und Nr. 04/2001 „Abschleppmaßnahmen bei verbotswidrigem Parken im Fahrraum von Schienenfahrzeugen der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) in der jeweils aktuellen Fassung dem Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung sowie den StadträtInnen vorzulegen. Sollten die Arbeitsanweisungen innerhalb des zurückliegenden Jahres geändert worden sein, wird auch die Vorversion vorgelegt.

Nach meiner nachstehenden Rede und den Worten von Norman Volger (Grüne) wurde vom Fachbürgermeister versichert, dass der ablehnende Verwaltungsstandpunkt zurückgezogen wird und die Arbeitsanweisungen dem Fachausschuss zur Verfügung gestellt werden. Warum dann erst des Theater?

Jetzt meine Rede, ja ich habe sie bewusst verwirrend geschrieben.

Die Fraktion Freibeuter begehrt die Möglichkeit der Einsichtnahme der Stadträtinnen und Stadträte die im geschlossenen Ausschuss Umwelt/Ordnung/Klima vertreten sind in zwei Arbeitsanweisungen des Ordnungsamtes zum Abschleppen von Falschparkern.
Die Verwaltung sagt nein!
Freundlicherweise bezieht die Verwaltung sich auf unsere Anfrage zum selben Thema. In dieser wird wiederum auf die Beratungsfolge zum Antrag „Abschleppen von verkehrsbehindernd parkenden Kraftfahrzeugen“ verwiesen.
Da beginnt das Problem, am Ende komme ich aber auf die grundlegende Problematik zurück.
Der Verwaltungsstandpunkt zu diesem Antrag war falsch und die Verwaltung wusste dies auch. Es lag der Verwaltung schließlich, schon vor der ersten Abstimmung, das Gutachten von Prof. Müller vor, welches die im VSP geschilderte Rechtslage als nicht zutreffend beschreibt. Dieses Gutachten wurde dem Ausschuss und der Ratsversammlung während des ganzen Beratungsganges vorenthalten.
Im VSP zum jetzigen Antrag schreibt die Verwaltung, die „formulierte „Weisungsfreiheit“ geht aus der Antwort zur Anfrage Nr. VII-F-02630 nicht hervor“.
Die Weisungsfreiheit der unteren Verkehrsbehörde, die im Antrag dezidiert genannt ist, ist aber die Begründung des Gutachtens von Herrn Rechtsanwalt Dr. Brüggen, die letztendlich zur Rücknahme des Beschlusses der Ratsversammlung führte.
Habe ich Sie jetzt verwirrt?
Ja so geht es mir auch, wenn ich die verschiedenen Auslegungen durch die Verwaltung lese.
Besonders absurd erscheinen mir zwei Darstellungen im VSP:
1. Heißt es: „Insoweit besteht keine Pflicht zur Übergabe der genannten Arbeitsanweisungen oder deren Vorversionen.“ Im Klartext:
Wir müssen nicht, es steht dem nichts entgegen, wenn wir wollten könnten wir.
Zumindest, wenn man die Deutsche Sprache bemüht. Eine Pflicht bestünde dann mit einem Beschluss des Stadtrates.
2. Die Verwaltung verweist auf das Fehlen eines Informationsfreiheitsgesetzes.
Hier beginnt die grundlegende Problematik für mich.
Die Verwaltung drückt damit aus, dass Sie dem Stadtrat und seinen Ausschüssen nur Einsicht gewährt, wenn Sie durch ein Gesetz dazu gezwungen wird.
Das nimmt die Verwaltung für Unterlagen in Anspruch von denen sie selbst sagt, dass sie nur keine Pflicht zur Herausgabe hat, es also keine rechtlichen Hindernisse gibt.
Meine Damen und Herren,
wir reden gern und oft von Transparenz in der Arbeit des Stadtrates und der Stadtverwaltung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt.
So sagt die Website der Stadt:
Die Informationsfreiheitssatzung der Stadt Leipzig dient dazu, die Transparenz der Stadtverwaltung zu erhöhen, die Zugangsmöglichkeiten zu städtischen Informationen unabhängig vom Vorliegen eines berechtigten Interesses für die interessierte Öffentlichkeit zu fördern.”
Oft erreichen uns Anfragen und Beschwerden wegen mangelnder Transparenz, die zu Verdruss und Misstrauen gegen Politik und Verwaltung führen.
Wenn es aber jetzt schon soweit kommt, dass überhaupt eine Informationsfreiheitssatzung oder ein Informationsfreiheitsgesetz bemüht wird um die Verwaltungsarbeit gegenüber einem geschlossenen Ausschuss des Stadtrates transparent zu machen, dann besteht ein strukturelles Problem.
Das grundsätzliche Problem in der Verwaltung lösen wir mit diesem Antrag nicht, ein Beschluss heute wäre aber ein erster Schritt.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Bild von Paul Brennan auf Pixabay

Leipzig – Luftfracht – Protest

Ich weiß, es ist schon (fast) alles von fast allen dazu gesagt, trotzdem einige Anmerkungen.

Luftfrachtaufkommen wächst

Der Anteil des Luftfrachtaufkommens am Frachtverkehr steigt ständig an. Probleme beim Schiffstransport, wie durch die Corona-Pandemie oder die Blockade des Suez-Kanals, führen zu immer mehr Frachtflug-Verkehr. Auch wenn der Schiffsverkehr wieder „ins Schwimmen kommt“ ändert das nichts, zusätzlich geschaffene Kapazitäten werden nicht zurückgefahren. Sie bleiben und werden genutzt. So weit so schlecht.

DHL-Hub am Flughafen Leipzig-Halle

Ein Symbol dafür sind die ständigen Kapazitätserweiterungen für den Frachtflug am Flughafen Leipzig Halle um diesem Wachstum Stand zu halten. Das kann man gut finden, sichert es doch Arbeitsplätze, oder schlecht, wegen der wachsenden Lärmbelästigung und des erhöhten Schadstoffausstosses. Beides ist nicht nur auf den Flugverkehr zurückzuführen, nein auch der mit der Erweiterung verbundene wachsende LKW-Verkehr hat einen nicht unerheblichen Anteil daran. Letzterer verschärft das Verkehrsproblem auf unseren Straßen erheblich. Das wird oft bei der Diskussion vergessen.

Protest am 9. Juli 2021

Unter #CancelLEJ protestierten Betroffene vom Fluglärm, Bürgerinitiativen und Umweltgruppen gegen den Ausbau. Hier empfehle ich den gut recherchierten Bericht in der LIZ. Ich lasse bewusst das „Nachspiel“ der Inhaftierung und Behandlung der Demonstrierenden aus, dazu gibt es genügend Äußerungen. Meine Meinung dazu steht fest:

Es war ein friedlicher ziviler Protest und DHL hat sich mit den entstandenen Bildern, wenn diese nicht bewusst produziert waren, als unfähiger Logistiker dargestellt.

Die Begründung der Unfähigkeit ist veinfacht dargestellt: Im Falle der Blockade des Tores durch einen LKW-Unfall muss eine sofortige Umleitung (also ein Notfallplan) möglich sein, um den Betriebsablauf nicht zu stören. Ich gehe davon aus, dass DHL, in dieser Nacht, eine Stunde gewartet hat um Bilder von LKW-Staus zu produzieren.

Wogegen wurde protestiert?

Es greift zu kurz, wenn man den Protest nur als einen gegen den Flughafen Leipzig-Halle und den DHL-HUB darstellt. Zumindest viele Akteure der Umweltbewegung sprechen sich, wie ich auch, gegen eine ständige Erweiterung des Lufttransportes für Waren aus. Es geht also nicht um „nicht vor meiner Haustür“, es geht um ein strukturelles Problem.

Ist Frachtflug notwendig?

Eindeutiges „Ja“, er ist notwendig, die richtige Frage wäre selbstverständlich: „Ist Frachtflug in diesem Ausmaß notwendig?“ Diese Frage meine ich genau so eindeutig mit „Nein“ beantworten zu können.
Im Zuge der Globalisierung, mit immer weiter entfernten Produktionsstätten, und vor allem mit der Einführung des „just in time“ Prinzips, verbunden mit dem weitgehenden Verzicht auf Lagerhaltung in Produktions- und Handelseinrichtungen, war ein Anwachsen des Transportsektors und die Forderung nach schnellen Transporten unausweichlich. Der Frachtflug, wie auch der wachsende LKW-Verkehr, sind Symptome dieser Wirtschaftspolitik.

Was tun?

Es greift mEn zu kurz sich auf die Verbraucherbeschimpfung „Abends bei Amazon Waren aus China bestellen und dann erwarten, dass die Ware am Folgetag da ist“ zu konzentrieren. Das wurde uns ja per Werbung als „Kennzeichen eines guten Händlers“ geradezu eingeimpft. Und viele fanden das auch gut.

Sehen wir uns das „just in time“ Prinzip in der Produktion an, dann sehen wir eine Pervertierung des ursprünglichen Ansatzes.
In meinem Studium (76/81) lernten wir, dass der Ansatz für diese Vorgehensweise das schnelle Reagieren auf Kundenbedürfnisse ist.
Also, wenn ein Kunde z.B. ein blaues Auto mit roten Türen bestellt, dann werden die Teile „just in time“ in die Produktion geliefert.
Heute können wir wieder Sonderwünsche (nicht nur bei Autos) meist nur mit langen Wartezeiten bestellen, weil „just in time“ nur noch bedeutet „Wir lagern nichts“. Besser gesagt wäre:

Das Lager ist die Autobahn, der Hafen, das Schiff, der Flughafen und das Flugzeug.

Fazit

Wenn wir den Luftfracht-Verkehr nachhaltig einschränken wollen, dann müssen wir die „just in time“ Produktionsweise überdenken. Wir müssen natürlich den Gütertransport auf der Schiene präferieren und ja, auch unser Anspruchsdenken ist überdenkenswert.

Bild von Tobias Schönebeck auf Pixabay