Lüftet die Klassenzimmer!

Es war am Mittwoch wieder Stadtratssitzung in Leipzig und ich habe einen Änderungsantrag zu einer Modernisierung einer Schule initiiert und für die Fraktion Freibeuter eingebracht.
Unserer Meinung nach kann es nicht sein, dass eine Schule ohne eine Lüftungsanlage für die Klassenzimmer und Aufenthaltsräume modernisiert wird.
Ja, es ist ein Prüfauftrag geworden – wahrscheinlich kann die Planung für die konkrete Schule nur noch mit Schwierigkeiten geändert werden – aber wir wollen das weiter verfolgen.

Der Antrag wurde, zum Missfallen einiger Fraktionen und des Baubürgermeisters, mit 35 Ja, 11 Nein, bei 12 Enthaltungen, angenommen.

Luftqualität in Klassenzimmern ist wichtig, unabhängig von Corona.

Nachfolgend der Text meines Redebeitrages, Abweichungen im Wortlaut des Vortrages sind möglich.

Ich muss heute auf meinen Redebeitrag aus der Juni-Ratsversammlung – Sie erinnern sich an den Antrag zu Luftfiltern – zurückkommen.
Ich zitiere mich selbst obwohl ich weiß, dass das schlechter Stil ist.
Betrachten wir das Klassenzimmer als Arbeitsplatz für die Genannten, dann komme ich zum Schluss, dass die „Technischen Regeln für Arbeitsstätten“, insbesondere die der „ASR A3-6 Lüftung“, dort nicht einmal als Absichtserklärung verstanden werden. Diese besagt nämlich: „In umschlossenen Arbeitsräumen muss gesundheitlich zuträgliche Atemluft in ausreichender Menge vorhanden sein. In der Regel entspricht dies der Außenluftqualität.“
Zitat Ende
Ein zweites Zitat, diesmal aus einem Papier des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung:
„In Bildungsbauten erfordert die Lüftungssituation besondere Aufmerksamkeit. Ein an die Nutzung angepasster Luftwechsel in Räumen mit einer zeitweise hohen Anzahl an Personen ist zur Erhaltung der hygienischen Vorgaben notwendig.“
Daraus erklärt sich auch unser Änderungsantrag.
Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es sich nicht in erster Linie um ein Problem mit der Corona-Epidemie handelt, es geht vielmehr um eine generelle Verbesserung der Luftqualität in den Schulen.
Bereits 2017 stellte der Arbeitskreis Lüftung am Umweltbundesamt in seinen Anforderungen an Lüftungskonzeptionen in Gebäuden im Teil 1 – Bildungseinrichtungen als Kernbotschaft fest:
„Eine Lüftung über Fenster allein reicht zum Erreichen einer guten Innenraumluftqualität während des Unterrichts in Schulgebäuden nicht aus. Eine Konzeption bestehend aus Grundlüftung über mechanische Lüftungsanlagen und Zusatzlüftungsmöglichkeit über Fenster in den Pausen (hybride Lüftung) wird vom AK Lüftung dringend empfohlen.“
Was wollen wir eigentlich?
Im Antrag heißt es „natürliche oder mechanische Lüftung in den Unterrichts- und Aufenthaltsräumen“, selbstverständlich unter dem Punkt „Lüftungstechnische Anlagen“ – was bedeutet, dass wir nicht das Stoßlüften alle 20 Minuten darunter verstehen.
Mechanische Lüftungsanlagen sind teuer und wartungsintensiv, das ist uns bewusst – aber sie sind nicht alternativlos.
So gab es bereits 2015 eine Untersuchung des Fraunhofer Instituts für Bauphysik zur „natürlichen Lüftung mit Parallelabstellung der Fenster“. Diese wurde an einem mehrgeschossigen Bürogebäude simuliert und auch der Praxistest mit einem realen Gebäude bestätigte das Ergebnis.
Die Übertragbarkeit der Studie auf Bildungseinrichtungen war 2015 nicht untersucht, es wurde aber festgestellt:
„Es ist erstmal zu bezweifeln, dass eine reine Parallelabstellung einen ausreichenden Luftaustausch für einen Klassenraum erreicht. Allerdings ermöglicht diese einen permanenten Luftwechsel ohne Zugerscheinungen im normalen Nutzungsbetrieb, wodurch die Luftqualität deutlich langsamer abnimmt.“
Nimmt man dazu, dass im Vergleich zu einem gekippten Fenster ein reduzierter Schalldurchgang erreicht wird, ist das eine win-win-Situation.
Ob es bereits Tests an Bildungseinrichtungen gibt, kann ich leider noch nicht sagen. Dr. Hermes (Forschungsbereich „Healthy Air Initiative“ am Fraunhofer Institut für Bauphysik), der Verfasser der Studie, war leider noch nicht erreichbar.
Frau Erhorn-Kluttig, ebenfalls Fraunhofer Institut für Bauphysik (Arbeitsgruppe Energiekonzepte) äußerte aber auf meine Anfrage:
Trotzdem können wir Ihnen, auch nach den Erfahrungen in der Corona-Zeit, nicht empfehlen in Klassenzimmern auf eine Lüftungsanlage zu verzichten. Diese kann als eine Art Grundlüftung zusammen mit der Fensterlüftung agieren (sogenannte hybride Lüftung) oder komplett die Lüftungsfunktion übernehmen.“
Sehr geehrte Damen und Herren, wollen wir nun die oben beschriebene Variante?
Sie soll nur ein Beispiel für natürliche Lüftung aufzeigen – mehr war uns hier noch nicht möglich.
Ich möchte daran erinnern, dass wir nur ehrenamtliche Stadträte sind.
Es kann aber, Corona hin oder her, unseres Erachtens nach nicht sein, dass die Lüftung der Unterrichtsräume bei Neubau, Sanierung oder Modernisierung weiterhin vernachlässigt wird.
Ich möchte den Antrag so verstanden wissen, dass die Verwaltung verschiedene Varianten prüft und den beteiligten Ausschüssen ausführlich Bericht erstattet.

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Entkriminalisierung von Cannabis

Ich übernehme hier einfach unsere Pressemitteilung zum gemeinsamen Antrag. Wir Piraten fordern ja schon lange die Entkriminalisierung des Konsums von Cannabis und die Fraktion Dissidenten im Stadtrat Dresden hat da eine Vorlage gemacht.


Die Stadträte Thomas Kumbernuß, Marcus Weiss (DIE Partei), Thomas Köhler (Piratenpartei) und Jürgen Kasek ( BÜNDNIS90 / DIE GRÜNEN) haben analog zur Dissidenten Fraktion im Stadtrat Dresden einen Antrag im Stadtrat Leipzig zu Entkriminalisierung von Cannabis gestellt. Dazu beantragten die Stadträte gemeinsam, dass ein Modellprojekt zur verantwortungsvollen Abgabe gestartet werden soll.


„Die Prohibition ist gescheitert und weder intelligent noch zielführend. Der rein repressive Ansatz im Bereich der Drogenpolitik führt in die Sackgasse. Es ist höchste Zeit für ein Umdenken. Dazu bedarf es auch Druck aus den Kommunen, wo das Problem existiert.“,

so Thomas Kumbernuss.


„Der Dealer fragt Kinder nicht nach ihrem Alter! Jugendschutz bei Genussmitteln, wie Alkohol, Tabak und Cannabis, ist nur mit einer regulierten Abgabe erreichbar. Also muss auch für Cannabis gelten: Kontrollierte Qualität, Abgabe im Handel mit Alterskontrolle und natürlich Entkriminalisierung des Konsums. Wo ist das Problem? Studien über Cannabis-Konsum bei Kindern und Jugendlichen sind oft irreführend. Wenn Sie diese lesen, ersetzen Sie einfach Cannabis durch Alkohol – es ändert sich kaum etwas.“,

so Stadtrat Thomas Köhler.


„Leipzig kann ein Modellprojekt anschieben. Die Kriminalisierung führt nur zu weiteren Folgeproblemen, wie veruneinigte Produkte, die zu medizinischen Beschwerden führen. Nahezu alle Parteien sprechen sich seit langer Zeit für einen anderen Umgang in der Drogenpolitik aus. Es ist jetzt Zeit den Ankündigungen auch Konsequenzen folgen zu lassen und den ersten Schritt zu gehen.“,

so Jürgen Kasek.

Barrierefreiheit – erweitert gedacht

Die Treppe ist wohl das Symbol der Barriere für Menschen mit Behinderungen. Geschichtlich gesehen bauten Menschen, bevor sie Treppen bauten, einfach Rampen. Nicht wegen der Inklusion – eine Rampe war einfacher zu errichten. Die Treppe setzte sich wahrscheinlich aus Platzgründen durch. Rampen waren gegenüber Treppen zur Überwindung des gleichen Höhenunterschiedes zu lang und wenn man sie steiler machte, war der Bau zu kompliziert. Eine Treppe war hier einfach besser geeignet.

Aber genug von dieser Vorbetrachtung, die eigentliche Frage ist: „Welche Barrieren gibt es?“

Ich meine:

Barrieren hindern Menschen an der gesellschaftlichen Teilhabe, schränken die Freiheit der Menschen ein und nehmen ihnen ihre Würde.

Physische Barrieren

Diese erschweren das Leben derjenigen Menschen, die nicht der gesundheitlichen Norm entsprechen. Also Treppen für Gehbehinderte, der auf Seh- und Hörfähigkeit ausgelegte Verkehrsraum für Seh- und Hörbehinderte – es lassen sich hierbei zu viele Beispiele finden, um sie alle aufzuzählen.

Es ist in den letzten Jahrzehnten viel geschehen, um Menschen mit Behinderungen die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, aber von „umfassender Teilhabe“ kann noch lange keine Rede sein.

Ein kleines Beispiel sind die barrierefreien Haltestellen der Tram in Leipzig. Diese sind für Menschen mit Geh-Behinderungen schon gut ausgebaut. Für seh- und hörbehinderte Menschen fehlen jedoch oft entsprechende Maßnahmen. Der Weg zur Haltestelle, die Gehwege im allgemeinen, sind hierbei noch problematischer. Um es auf den Punkt zu bringen:
Die Gehwege, gesamtstädtisch betrachtet, sind nur für normativ gesunde, junge und fitte Menschen gefahrlos nutzbar.

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, vor allem bezüglich dem Zugang zu Kultureinrichtungen, Verwaltungen und den normierten Ausstattungen von Wohnhäusern und Wohnungen, muss ich auf einen weiteren wichtigen Punkt hinweisen. Die Menschen leben länger. Im Alter gibt es nun einmal gesundheitliche Einschränkungen. Man sieht also:
Barrierefreiheit (im physischen Sinne) ist nicht nur für Menschen mit Behinderungen notwendig, sondern auch für eine wachsende Anzahl von Menschen im fortgeschrittenen Alter.

Gesellschaftliche Barrieren

1. Geld

Die erste gesellschaftliche Barriere ist das Geld. Ohne dieses ist die Teilhabe grundsätzlich stark eingeschränkt. Das beginnt, neben den ebenfalls wichtigen Bereichen Ernährung, Wohnen und Kleidung, mit unserem Bildungssystem.
Natürlich, die Schulbildung ist kostenlos. Während der Schulzeit eines Kindes entstehen jedoch Zusatzkosten, die Besserverdienende begünstigen. So können Familien aus dem Mindestlohnbereich – ebenso Hartz IV-beziehende Familien – ihr Kind noch unter erheblichem Aufwand bis zum Abitur bringen, aber wenn es studieren will, beginnt ein wahres Drama:
Das verfügbare BAFÖG reicht nicht aus für den Semesterbeitrag und die Miete im Studentenwohnheim mit allen täglichen Ausgaben, wenn es in direkter Nähe zum Wohnort keine Uni bzw. nicht den angestrebten Studiengang gibt. Das studierende Kind (ich rede hier vom Kindschaftsverhältnis zu den Eltern) muss nebenbei arbeiten, um sich zu finanzieren. Abgesehen vom Zeitaufwand ist, wie wir durch Corona gesehen haben, der Studentenjob oft eben kein sicherer Zuverdienst.

Weitere, mir wichtig erscheinende, gesellschaftliche Barrieren neben dem Geld sind Geschlecht, sexuelle Veranlagung, äußere Erscheinung und Alter.

2. Geschlecht

Ich gehe hier bewusst nicht in die Feminismus-Debatte hinein, ich rede allgemein über Geschlechter-Stereotype. Ob nun eine Firma lieber einen Mann oder eine Frau als Maschinenbauingenieur einstellt, ob eine Kita lieber eine Frau als einen Mann als Erzieher (eventuell wegen Bedenken der Eltern), ist hierbei erst einmal unbedeutend.
Natürlich sind Frauen weit mehr von diesem Ausschluss betroffen, grundsätzlich ist aber jeder Teilhabe-Ausschluss auf Grund des Geschlechts einer zu viel.

Es fällt schwer, über Menschen mit anderen, nicht binären, Geschlechtsidentitäten Aussagen zu treffen. Gerade weil sie von der Gesellschaft oft nicht akzeptiert werden, treten Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten oft nach außen in einer, der gesellschaftlichen Norm entsprechenden, Rolle auf. Wenn sie diese ablegen und auf ihre Identität bestehen, ist der Ausschluss oft vorprogrammiert.
Hier muss ich auf die Erfahrung mit einer bekennenden Transfrau zurückgreifen. Beruflich gab es keine Benachteiligungen, allerdings reden wir hier von einem eher schon prekären Arbeitsverhältnis. Sie war auf der Arbeitsstelle weitgehend isoliert. Es lag nicht an ihr.

3. Sexuelle Veranlagung

Es ist wohl leichter geworden, gegenüber meiner Jugendzeit in den 1970ern, eine nicht-heterosexuellen Veranlagung öffentlich zu leben. Allerdings gibt es auch heute noch die Stereotype, die als Barrieren nicht-heterosexuelle Menschen an der gesellschaftlichen Teilhabe hindern. So wird, wider besseres Wissen, oft noch ein schwuler Lehrer als pädosexuell angesehen.
Das erinnert mich an die gesellschaftliche Behandlung des ersten Schwulen, den ich kennenlernte:
Eine ältere Bekannte meiner Eltern hatte mich (damals 13) gewarnt. Der Mann würde sich an kleinen Jungs vergreifen. Dieser alte Zopf ist immer noch nicht abgeschnitten und oft werden diese Menschen gesellschaftlich ausgeschlossen oder behindert.

4. Äußere Erscheinung

Ich subsumiere hier mal alles, was mit der äußeren Erscheinung – also nicht mit den Menschen an sich – zusammenhängt. Auch wenn das so nicht üblich erscheint.
Ob ein Mensch, wegen der äußerlich erkennbaren Herkunft, des äußerlich sichtbaren Glaubens, des nicht der Norm entsprechenden Körpers, der Kleidung oder anderer Äußerlichkeiten, nicht ins propagierte Gesellschaftsbild passt, ist dabei egal.
Wenn durch die äußere Erscheinung Vorbehalte entstehen, die zu einem gesellschaftlichen Ausschluss führen, dann ist auch das eine Barriere, die es zu überwinden gilt.

5. Alter

„Jugend ist keine Schande und Alter kein Verdienst“ oder „Alter ist keine Schande und Jugend kein Verdienst“ – egal wie herum man den Spruch dreht, es bleibt eine Tatsache. Das Alter, egal in welcher Form, stellt oft eine Barriere in der Gesellschaft dar.
Jungen Menschen wird die Fähigkeit abgesprochen, komplexe (politische wie wirtschaftliche) Zusammenhänge, mangels Erfahrung, zu begreifen.
Den Alten wird, trotz dieser Erfahrung, die Mitsprache bei Zukunftsthemen abgesprochen.
Am Arbeitsmarkt verhält es sich ähnlich: Die Jungen haben keine Berufserfahrung, also bekommen sie den Job nicht und die Alten sind nicht mehr so belastbar, also bekommen sie ihn auch nicht.
Altersdiskriminierung geht in beide Richtungen – die Barriere ist hierbei die zu geringe oder zu hohe Anzahl von Lebensjahren.

Fazit:

Frei nach Shakespeare:

„Es gibt mehr Barrieren zwischen Himmel und Erde, Horatio, von denen sich eure Schulweisheit nichts träumen läßt.“

Die physischen Barrieren abzubauen, kostet Geld und Arbeit. Die gesellschaftlichen Barrieren zu überwinden, sollte eine gemeinsame Aufgabe aller sein. Für dieses „gemeinsam“ brauchen wir viel Bildung und keine Aufspaltung der Gesellschaft durch Identitätspolitik.

Diese Barrieren abzubauen ist mein Ziel.

Dafür stehe ich als Pirat.

Bild von Karsten Bergmann auf Pixabay