Glaube und Politik

Einleitend sei gesagt, ich habe absolut nichts gegen gläubige Menschen – egal in welcher gesellschaftlichen Funktion diese stehen.

Es gibt da eine Einschränkung. Wenn Menschen sagen, dass die Religion ihr politisches Handeln leitet. Das lehne ich ab, weil ich es für gefährlich halte.

Ob nun die Bundeskanzlerin Angela Merkel oder der ehemalige Generalsekretär der CDU Peter Tauber, beide sind bekanntermaßen gläubige Menschen. Sie stellen ihre Religiosität aber nicht in den Vordergrund. Diese Art von pragmatischem Protestantismus war für mich vollkommen in Ordnung. 2019 kam die „Wachablösung“ innerhalb der CDU.

Das inspirierte mich damals zu einem Tweet:

Frau Kramp-Karrenbauer ist ja nun Geschichte, dafür kam Armin Laschet an die Spitze der CDU.

Ein bekennender Katholik, den die christliche Hoffnung in der Krise leitet, der eng mit dem Opus-Dei-sozialisierten Nathanael Liminski verbunden ist, dieser ist wiederum mit dem bekennend katholischen CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak freundschaftlich (sogar quasi familiär) verbunden.

Es ist nicht die Religionszugehörigkeit die mich stört, es ist das zur Schau getragene Bekenntnis der genannten Akteure.

Dieses Dreigestirn lässt mich eine Re-Katholisierung der Gesellschaft befürchten.

Ich beginne mit einer Überspitzung.

Eine Überspitzung

Alle regen wir uns gerade über Viktor Orban und das „Gesetz zum Verbot von LGBTQ-Inhalten in Ungarn auf. Ich bin völlig auf der Seite der Kritiker dieses Gesetzes. Orban legt mit diesem Gesetz aber eigentlich die Elternrechte in perfider Form fest. Er sagt: „Eltern haben das Recht über die sexuelle Entwicklung ihrer (unmündigen T.K.) Kinder zu bestimmen„. Das ist konservativ im schlechtesten Sinne, aber ist das auch bei uns möglich?

Nehmen wir den §14 (8) Jugendschutzgesetz, dort heißt es:

Enthalten Filme, Bildträger oder Bildschirmspielgeräte neben den zu kennzeichnenden Filmen oder Spielprogrammen Titel, Zusätze oder weitere Darstellungen in Texten, Bildern oder Tönen, bei denen in Betracht kommt, dass sie die Entwicklung oder Erziehung von Kindern oder Jugendlichen beeinträchtigen, so sind diese bei der Entscheidung über die Kennzeichnung mit zu berücksichtigen.“

Die „Erziehung von Kindern beeinträchtigen“ ist hier der Punkt den auch in Deutschland mehrere Akteure, mit den verschiedensten Intentionen, weiter ausbauen wollen. Für diese geht nämlich das Erziehungsrecht der Eltern vor das Recht des Kindes.

Nehmen wir dazu noch Artikel 6 (2) Grundgesetz:

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“

dann wird vielleicht verständlich, dass das ungarische Gesetz auch hier möglich wäre. Nicht erst heute wehren sich so genannte Elterninitiativen, aus verschiedenen Gründen, gegen Eingriffe des Staates in die Erziehung, besonders die Sexualerziehung.

Kontext

Mit der Berufung des „Verband kinderreicher Familien Deutschland (KRFD)“ in den Rundfunkrat des WDR, wahrscheinlich mit Unterstützung von Nathanael Liminski, kam eine neue Interessengruppe ins Spiel. Man mag fragen warum ich es kritikwürdig finde, dass Kinderreiche ein Mitspracherecht bei den Programminhalten des WDR haben.
Wenn es wirklich nur Vertreter kinderreicher Familien wären, die Inhalte für ebensolche Familien wünschen, wäre es zwar immer noch fragwürdig aber durchaus legitim. Als nächstes kämen dann wahrscheinlich Fürsprecher für Ein-Kind-Familien, Alleinerziehende, Kinderlose usw zum Zuge, das würde den Sender wohl überfordern.

Der KRFD ist nun aber, sieht man Publikationen einiger Beiratsmitglieder wie Prof. Dr. Manfred Spieker (CDL) an, nicht einfach ein Verband kinderreicher Familien, sondern der Verband vertritt ein Weltbild welches eben diese Familienform fordert. Dazu gehört dann evt. das Verbot der Abtreibung und die Ablehnung von Homosexualität und Diversität.

Wenn also Akteure mit diesen Intentionen auch z.B. noch im Beirat der USK, dem jetzt schon Kirchenvertreter angehören, installiert werden dann ist eine „Orbanisierung“ auch bei uns möglich.

Ich möchte hier ausdrücklich nicht ein Engagement für kinderreiche Familien abwerten, sehe aber den Einfluss des Verbandes als kritisch an.

Fazit

Ich habe nichts gegen Politikerinnen und Politiker, die religiös sind. Stellen diese aber ihre Religiosität in den Vordergrund, umgeben sich mit einem ebenso religiösen Netzwerk und bringen Interessenvertreter ihrer religiösen Anschauungen in staatliche Gremien – dann habe ich etwas dagegen.

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik ist da eindeutig im Artikel 4:

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses schließt für mich die Dominanz eines religiösen Bekenntnisses aus – und das ist gut so.

Käufliche Gesellschaft?

Ich bin wütend und der Diskussion müde – bei Twitter hieß das „mütend“. Aus allen Richtungen kommen Aufforderungen an den Staat oder die Kommunen, doch endlich Impfanreize für Ungeimpfte zu setzen.

Mit der Bratwurst in Thüringen fing es an, das konnte ich noch als Joke akzeptieren. Also wie früher beim Blutspenden in der DDR – da bekam ich immer einen Imbiss mit einer Banane.

Der Spaß hört aber auf, wenn ein Dietmar Bartsch von den Linken Einkaufsgutscheine für die Innenstädte fordert. Nicht nur weil er wieder mal nur das städtische Klientel im Blick hat. Merke: Dörfer haben keine Innenstädte und der Weg zur nächsten solchen ist machmal weit.

Heute nun die „BILD“ mit dem Aufmacher „Warum kriegt der Staat DAS nicht auf die Reihe?“.

Ich will jetzt das Umfrageergebnis nicht hinterfragen, allerdings sehe ich schwarz für unsere Zukunft.

Betrachten wir die „Impfverweigerer“ doch mal als gebildete und ehrenwerte Menschen (also entsprechend ihrer Selbstdarstellung), dann haben die ja echte Gründe sich und ihre Kinder nicht impfen zu lassen. Die ließen sich dann auch nicht mit einem Einkaufsgutschein kaufen, oder doch? Wenn doch, dann sind sie ja weder gebildet noch ehrenwert.

Es mag sein, dass wir mit diesen Angeboten zögerliche Menschen erreichen und vielleicht doch eine Impfquote erreichen, die einer Durchimpfung (ich vermeide aus Gründen das Unwort Herdenimmunität) entspricht.

Aber was dann?

Ab dem nächstem Jahr 50 Euro für jede Impfung im Kindesalter, einen Bonus für ein ausgefülltes Kinder-Untersuchungsheft, ein Goodie bei jeder Vorsorgeuntersuchung oder am Besten die Digitale Gesundheitskarte als Rabattkarte im Supermarkt?

Ich denke mal, mit dieser ganzen Diskussion um Vorteile haben wir den Kampf um mündige, gebildete, denkende und selbstverantwortliche BürgerInnen verloren.

Wenn der Staat sich die „Volksgesundheit“ bei den BürgerInnen erkaufen muss, statt die Einsicht durch Kommunikation zu schaffen, ist es meiner Meinung nach zu spät. Dann können wir dem Virus seinen Lauf lassen.

Dann haben wir es so gewollt, wir mündigen BürgerInnen.

21.07.2021 – Stadtrat Leipzig – Graffiti

Ich gebe zu, dass ich ein Fan von Streetart bin und ich meine:

„Leipzig könnte mehr Farbe gebrauchen“.

Aus diesem Grund hatte ich meine Probleme mit dem Antrag der Linken, eingebracht von Jule Nagel, zum Thema „Graffiti-Prävention“. Der Ausdruck erscheint mir völlig ungenau zu dem Thema zu passen und er provoziert Ablehnung und Änderungsanträge, wie den der CDU.

Ich habe mich also als quasi Oberlehrer hingestellt, zum Thema gesprochen und eine Änderung – die die Linke übernommen hat – beantragt.

Der so geänderte Antrag

Nachhaltige Street-Art-Graffiti-Koordinierung bei städtischen Bau- und Gestaltungsvorhaben obligatorisch berücksichtigen.

wurde in beiden Punkten beschlossen.

Jetzt der Redebeitrag:

Worüber reden wir bei diesem Antrag eigentlich?
Die Linke beantragt „Nachhaltige Graffiti-Prävention“. Nun ist aber Prävention ausgerichtet auf Vermeidung, nicht nur allgemeinen Sprachgebrauch. Richtig wäre hier Gaffiti-Koordinierung, deshalb heißt die entsprechende Stelle ja auch „Koordinierungsstelle Graffiti“.
Ich begreife natürlich den präventiven Ansatz, der mit der Bereitstellung legaler Flächen für Graffiti verfolgt wird, finde die Wortwahl in dem Zusammenhang schwierig.
Die Verwendung des Begriffs „Graffiti-Prävention“ rechtfertigt jedenfalls den Änderungsantrag der CDU, dem ich übrigens nicht zustimme.
Was meint der Antragsteller eigentlich mit Graffiti?
Graffito oder Sgraffito bedeutet, lt. Meyer 1871, eine Art Freskomalerei – also eine Malerei auf Putz – verkürzt erklärt. In der heutigen Bedeutung meint man damit die Anbringung von Bildern, Schriftzügen oder Zeichen – ohne genauere Inhalte und nicht eindeutig als Kunst beschrieben.
Ich meine, dass der Antrag das Street-Art-Graffiti beschreiben will dies aber, aus mir nicht ersichtlichen Gründen, nicht so beschreibt.
Deshalb beantrage ich die Änderung des Titels:
Nachhaltige Graffiti-Prävention Street-Art-Graffiti-Koordinierung bei städtischen Bau- und Gestaltungsvorhaben obligatorisch berücksichtigen.
Im Text ist „Graffitiprävention“ durch Street-Art-Graffiti-Koordinierung zu ersetzen.

Bild von Hands off my tags! Michael Gaida auf Pixabay