Stadtrat Leipzig – Forstwirtschaftsplan

Am 25. März, also in der zweiten März-Ratsversammlung, wurde über den Forstwirtschaftsplan 2021, Vorlage – VII-DS-02132 des Dezernats Umwelt, Klima, Ordnung und Sport, beraten und abgestimmt. Auf dem Tisch lagen drei Änderungsanträge, zuerst der Antrag der SPD-Fraktion, Vorlage – VII-DS-02132-ÄA-01, mit dem eine bessere Öffentlichkeitsarbeit des Amtes gefordert wurde. Als zweites der Änderungsantrag der Fraktion Freibeuter, Vorlage – VII-DS-02132-ÄA-02, auf den ich später noch ausführlich zu sprechen komme. In diesem ging es vor allem um das Wort „insbesondere“. Der Änderungsantrag war sogar der LIZ eine Artikelüberschrift wert.

Den dritte Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen werde ich nun, gemeinsam mit der generellen Ratsversammlung, zuerst behandeln. Dies hat den Grund, dass die Vorlage – VII-DS-02132-ÄA-03 auf den ersten – übrigens auch auf den zweiten – Blick Forderungen enthielt, die sich gegen Maßnahmen richteten, die im Forstwirtschaftsplan nicht enthalten waren. Es folgte eine rege Diskussion, die ich am Folgetag auf Twitter so beschrieb:

„Geile Idee übrigens von Grünen und Linken. Die Grünen reichen einen Änderungsantrag ein, der Bedenken von Puristen der Umweltverbände aufnimmt, obwohl die Maßnahmen im Forstwirtschaftsplan gar nicht auftauchen. @MichaNeuhaus hält eine epische Wutrede gegen diesen Antrag. @Jkasek hält mit einer Breitseite dagegen. Der Theaterdonner führt dazu, dass Bürgermeister Rosenthal gezwungen wird mit einer Protokollnotiz zu erklären, was im Forstwirtschaftsplan wirklich steht. Alle sind glücklich, oder?“

Die Formulierungen sind hier natürlich stark auf das Twitter-übliche Niveau ausgerichtet, eine sehr gute Zusammenfassung der gesamten Diskussion liefert auch hier die LIZ im Artikel zur Ratsversammlung.

Die SPD brachte ihren Antrag ein, der bereits im Vorfeld von der Ratsmehrheit als sinnvoll und zielführend angesehen wurde. Danach brachte ich den Antrag der Freibeuter ein. Der Redetext steht am Ende dieses Artikels.

Bürgermeister Rosenthal hatte im Voraus auf die übliche Einbringung, die normalerweise auch mit der Stellungnahme zu den Änderungsanträgen verbunden ist, wahrscheinlich aus taktischen Gründen verzichtet. Als er dann Stellung bezog, sah dies wie folgt aus:

  • Der Antrag der SPD sei unnötig, das Amt mache eine gute Öffentlichkeitsarbeit.
  • Der Antrag der Freibeuter sei unverständlich, das „insbesondere“ wäre ja nicht so gemeint.
  • Der Antrag der Grünen sei sinnlos, er mache aber eine Protokollnotiz.

Auf Grund dieser Protokollnotiz zogen die Grünen ihren Änderungsantrag zurück, zur Abstimmung kamen die beiden anderen Anträge, die jeweils eine Mehrheit fanden. Am Schluss wurde der Forstwirtschaftsplan 2021 abgestimmt und bestätigt.

Zum Schluss noch mein Redebeitrag – ich konnte mir den Verweis auf die Auslegung eines Begriffs nicht verkneifen.

Wie immer gilt: Es ist die Vorlage zum Redebeitrag, Änderungen des Wortlautes beim Vortrag sind aufgetreten.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Meine Damen und Herren Beigeordnete,
Kollleginnen und Kollegen Stadträte,
Liebe Gäste am Livstream und Pressevertreter,
So wie man die Regenwälder, wie im Amazonasgebiet, als die grüne Lunge der Erde bezeichnet, so kann man mit Fug und Recht den Auwald als grüne Lunge von Leipzig titulieren.
Nach über 100 Jahren des Missbrauchs durch Trockenlegung, Umweltverschmutzung, großflächigen Einschlag und Anpflanzung von Pflanzen, die nicht in dieses Biotop passen – die Aufzählung ist unvollständig -, stehen wir vor der Aufgabe den Auwald wieder in einen Zustand der seinem Namen entspricht zu bringen.
Der puristische Ansatz „Lassen wir wieder Wasser in den Wald, dann wird das!“ hilft hier nicht weiter. Dieser gleicht dem sprichwörtlichen Helfer der einen Verhungernden maßlos füttert. Es droht die Gefahr, dass der Wald endgültig kippt.
In diesem Kontext sehen wir die forstwirtschaftlichen Maßnahmen wie Totholzkonzept, Stärkung von Biotopbäumen und ähnliches.
Sind die Maßnahmen in diesem Forstwirtschaftsplan dafür ausreichend geeignet?
Ich kann das nicht abschließend beantworten, habe aber zu vielen beteiligten Akteuren großes Vertrauen. Ja, auch zu unserem Forstwirtschaftsbetrieb, der sich dieser Aufgabe stellen muß und es auch macht.
Ohne die im Forstwirtschaftsplan beschriebenen Eingriffe kann mEn die Resilienz des Waldes nicht erhalten, bzw befördert, werden.
Wir sehen im vorliegenden Forstwirtschaftsplan keine Absicht zur oft unterstellten „massenhaften Baumfällung“ zu wirtschaftlichen Verwertungszwecken.
Selbstverständlich hat der Auwald, darüber hinaus, eine wichtige Bedeutung für die Erholung der LeipzigerInnen und Ihrer Gäste, die aber für uns der ökologischen Bedeutung nachsteht. Daraus resultiert auch unser Änderungsantrag.
Wenn bereits im Punkt 2. Grundsätze der Bewirtschaftung des Stadtwaldes Leipzig, eine Aufweichung der Ziele durch die Formulierung:
„Dabei muss die Bewirtschaftung so erfolgen, dass alle Waldfunktionen, insbesondere die Berücksichtigung der Erholungsfunktion des Leipziger Auenwaldes ausreichend gewahrt werden.“
dann ist das so zu verstehen, dass eben Umweltschutz- und Klimaaspekte möglicherweise hinter wirtschaftliche Interessen zurückgestellt werden sollen.
Falls sich jemand fragt, warum ich auf das Wort „insbesondere“ so heftig reagiere, ich erinnere an die Auslegung der Verwaltung des Wortes „bevorzugt“ in unserem Antrag zum Abschleppen von Falschparkern. Diese wurde als „ohne Ausnahme“ gelesen. Ich lese hier das „insbesondere“ als „bevorzugt“, der Kontext ergibt sich von selbst.
Dem Änderungsantrag von Bündnis90/Die Grünen und dem Änderungsantrag der SPD stimmen wir zu.

Tempo 30 -Modellversuch in Leipzig

Ich wollte zu den Ratsversammlungen im Stadtrat Leipzig, am 24. und 25. März 2021, eigentlich einen zusammenfassenden Artikel schreiben. Dieser wäre aber zu lang und unübersichtlich geworden, deshalb entschied ich mich, ihn nach Themen gegliedert aufzuspalten. Zuerst also das Thema „Tempo 30 in der Stadt“.

Die Ausgangslage

Auf dem Tisch lagen 2 Anträge und ein gemeinsamer Verwaltungsstandpunkt. Zuerst der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Vorlage – VII-A-02284Tempo 30 als Regelhöchstgeschwindigkeit in 3 Gebieten erproben – für mehr Sicherheit, weniger Lärm und bessere Luft!“, dann der Antrag der Fraktion Die Linke, Vorlage – VII-A-02304Tempo 30 im Stadtgebiet“, zu beiden gab es einen Änderungsantrag der SPD-Fraktion Vorlage – VII-A-02304-ÄA-02 und einen gemeinsamen Verwaltungsstandpunkt Vorlage – VII-A-02304-VSP-01 des Dezernats Stadtentwicklung und Bau.
Kein Grund zur Verwirrung, man muss nicht die einzelnen Anträge lesen, es kommt ja auf den Beschluss an.

Der Beschluss

Abgestimmt wurde letztendlich der gemeinsame Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE in der 3. Neufassung Dieser nahm den Verwaltungsstandpunkt auf und wurde mit Mehrheit beschlossen. Was wurde da eigentlich beschlossen?

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, mit mehreren deutschen Städten und unter Einbezug des Deutschen Städtetags, die Rahmenbedingungen für einen Modellversuch zur testweisen Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts in einem abgegrenzten Stadtgebiet zu untersuchen, den Inhalt einer wissenschaftlichen Begleitung abzustimmen, sowie den Modellversuch anschließend mit diesen und/oder weiteren Städten durchzuführen. 
  2. Der Oberbürgermeister unterbreitet dem Stadtrat bis Ende des 4. Quartals 2021 einen Vorschlag, welches abgegrenzte Stadtgebiet in Leipzig für einen solchen Modellversuch sinnvoll nutzbar wäre.
  3. Der Oberbürgermeister setzt sich im Rahmen der Definition dieses Modellversuchs dafür ein, dass der Versuchsaufbau so gewählt wird, dass neben Betrachtungen des Verkehrsflusses eben auch Fragen der zu erwartenden Schadstoffemissionen und der Verkehrssicherheit eine besondere Berücksichtigung finden. Da eine Tempo-30-Regelung immer dann einen besonderen Einfluss auf den ÖPNV hat, wenn er sich den Straßenraum mit dem motorisierten Verkehr teilt, sollen für den Versuch in Leipzig auch die Leipziger Verkehrsbetriebe eingebunden werden.

Regelgeschwindigkeit – was bedeutet das?

Was bedeutet eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h eigentlich wirklich, die Frage ergibt sich sowohl aus den Diskussionsbeiträgen im Stadtrat, als auch aus der medialen Berichterstattung. Es sei mir gestattet nicht weiter darauf einzugehen.
Die Details der Einführung einer Regelgeschwindigkeit 30 möchte ich kurz, in vereinfachter Form, erläutern.

  1. Das ausgewählte Gebiet wird markiert, d.h. an den Gebietsgrenzen werden „Zone 30“ Schilder aufgestellt.
  2. Sämtliche Verkehrsschilder „Tempo 30“ werden entfernt.
  3. Die vorher, nach plausiblen Kriterien wie Straßenbreite, Ausbau der Kreuzungsbereiche, Ampelschaltungen usw, ausgewählten Hauptverbindungsstraßen werden mit „Tempo 50“ Schildern markiert.
  4. Der Test beginnt.

Ist das so einfach?

Die älteren Menschen unter uns erinnern sich an die Witze mit „Anfrage an Sender Eriwan“, bei denen die Antworten immer waren „Im Prinzip ja, aber…“. Ganz so einfach ist es nicht, das Prinzip stimmt aber. Wichtig sind hier 2 Dinge.

  1. Die Kriterien für Abweichungen von der Regelgeschwindigkeit
  2. Tempo 30 gilt überall, wo keine abweichenden Regelungen getroffen wurden.

Punkt 2 (der auch Punkt 1 sein könnte) erklärt sich von selbst, mit „Tempo 50“ ist das heute schon genau so.

Kommen wir also zu Punkt 1. Was könnten Kriterien für die Abweichung von der Regelgeschwindigkeit sein?

Was ändert sich wirklich?

„Tempo 30“ als Regelgeschwindigkeit ist ein Paradigmenwechsel in der Bewertung des Verkehrsraumes. Es wird nicht mehr gefragt „Unter welchen Bedingungen können wir eine Straße oder ein Gebiet auf Tempo 30 herabsetzen?“. Die Frage ist:

„Wie muss eine Straße beschaffen sein, damit dort mit „Tempo 50“, oder auch schneller gefahren werden kann?“

Ich erinnere hier an die, am gleichen Tage behandelte, Petition, Vorlage – VII-P-01815, „Konzept für Nutzung Lützowstraße für Radfahrer / Bahn / PKW“. Genau dort stünde die Frage an, ob die Lützowstraße zwischen Gohliser Straße und Georg-Schumann-Straße für eine Geschwindigkeit von 50 km/h geeignet ist. Heute steht die Frage nach den rechtlichen Kriterien, nach denen eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingerichtet werden darf.
Am Rande nur:
Funfact: Dort kann, zumindest am Tag, nicht schneller als 30 km/h (wenn überhaupt) gefahren werden. Es sind aber 50 km/h erlaubt.

Risiken und Nebenwirkungen

In den Medien, Ausführungen von Wirtschaftsvertretern und auch in den Redebeiträgen von StadträtInnen von CDU und AfD war und ist die Rede von Schleichverkehr, Dauer-Stau, Behinderung des Wirtschaftsverkehrs usw. Meiner Meinung nach sind, mit einer vernünftigen Bewertung des Verkehrsraumes und der daraus resultierenden Freigabe von geeigneten Straßen für „Tempo 50“ oder sogar höher (Schnellstraßen), diese Gefahren in keiner Weise gegeben.

Natürlich werden auch heutige „Tempo 50“-Straßen auf 30 km/h herabgesetzt werden, allerdings eben die „nicht für höheres Tempo geeigneten“ Straßen. Also diejenigen(Ergo die), auf denen auch heute schon „Tempo 50“ bloß eine theoretische Geschwindigkeit ist.

Das Risiko für die Antragsteller besteht darin, dass die wissenschaftliche Begleitung des Versuchs keine oder nur geringe Ergebnisse bei den Intentionen „mehr Sicherheit, weniger Lärm und bessere Luft“ erbringt.

Fazit

Eine Bewertung des Verkehrsraumes unter dem oben genannten Kriterium:

„Wie muss eine Straße beschaffen sein, damit dort mit „Tempo 50“, oder auch schneller gefahren werden kann?“

sehe ich als dringend erforderlich an. Mit wissenschaftlicher Begleitung, gerade bei der Erstellung eines Kriterienkatalogs für Abweichungen von der Regelgeschwindigkeit werden sich mEn keine negativen, eher positive, Aspekte für den Verkehrsfluss ergeben.

Wichtig ist, das versteh sich von selbst, die Einbindung der LVB in das Konzept. Gerade für die Gestaltung des ÖPNV muss hier auch eine Neubewertung von Fahrzeiten, ergo eventuell eine Änderung der Fahrpläne, erfolgen.

Wichtig ist auch, die mit einer eventuellen Geschwindigkeitseinschränkung verbundene, Änderung von Ampelschaltungen im großen Maßstab um auf die Veränderungen zu reagieren.

Entscheidend ist aber, wie immer, der menschliche Faktor.

Wenn AutofahrerInnen aus Trotz, oder anderen Motiven heraus, die Neuregelungen nicht mittragen und geradezu sabotieren, indem sie zum Beispiel trotz störungsfrei flüssig laufendem Verkehr auf Nebenstraßen ausweichen um „zu zeigen, dass ich da 1 Minute spare“, dann gibt es vorprogrammierte Negativaspekte.

Es bleibt also zu hoffen, dass sich die Mehrheit der Beteiligten dem Versuch nicht verweigern.

Bild von Doris Metternich auf Pixabay

Falschparker abschleppen – eine Posse im Stadtrat Leipzig

Ich kann es nicht mehr anders benennen, unser Bestreben Falschparker konsequent abschleppen zu lassen ist zur Posse geworden. So zu sehen am 21.01.2021 in der digitalen Ratsversammlung.

Der Posse erster Akt

21. Januar 2021 in der Ratsversammlung
Die Anfrage VII-F-02288 der Fraktion Freibeuter: „Gutachten zum Abschleppen von Falschparkern“ wird aufgerufen.


Zum Hintergrund:
Am 16. September 2020 trug Bürgermeister Rosenthal in der Diskussion zum Antrag „Abschleppen von verkehrsbehindernd parkenden Kraftfahrzeugen“ (VII-A-00898) vor:

Sie wissen, dass wir ein Gutachten beauftragt haben, wo wir das genau analysiert haben. Wir haben einen Rechtsexperten, Professor Müller, gebeten, einmal mitzuteilen, was wir rechtlich denn dürfen. Das Gutachten ist fertig.“

Wir fragen also an, ob das Gutachten veröffentlicht wird und wenn nicht warum.
Die sinngemäße Antwort von BM Rosenthal:
„Das Gutachten war nie für die Veröffentlichung gedacht, es handelt sich um internes Schulungsmaterial.“

Nachfrage von Thomas Köhler (Piratenpartei/Freibeuter):
„Können Sie uns sagen, ob das Gutachten den Rechtsstandpunkt der Verwaltung, der im VSP dargelegt wurde, stützt?“
Die Antwort war schon Comedy und lässt sich im Stream nachhören. Sinngemäß lautete sie, dass die Verwaltung und der Stadtrat beim Thema Abschleppen von Falschparkern nicht weit auseinander liegen. Fakt ist aber, dass der Stadtrat gefordert hat Falschparker bevorzugt abzuschleppen und alle Begründungen der Verwaltung immer waren, das geht nicht – wir müssen jeden Einzelfall prüfen und das „mildeste Mittel wählen“.

Besser wurde es noch bei der Nachfrage von Sven Morlok (FDP/Freibeuter). Auf die Frage ob es rechtliche Bedenken gegen eine Veröffentlichung des Gutachtens gäbe lautete die Antwort „Nein.“ Auf die weitere Nachfrage, ob also nach einem diesbezüglichen Stadtratsbeschluss das Gutachten veröffentlicht würde, war die Antwort „Dann prüfen wir das“.

Zusammengefasst: Das Gutachten ist kein Gutachten sondern internes Schulungsmaterial und obwohl es keine rechtlichen Bedenken gibt muss, auch nach einem Stadtratsbeschluss, geprüft werden ob es veröffentlicht wird. Ich spare mir Kommentare.

Funfact:

Der beauftragte Gutachter Prof. Dr. Dieter Müller ist ständiger Gast des Vorstandes des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR). Der DVR veröffentlichte am 16.09.2020 ein Positionspapier in dem es heißt:

4. Kreuzungsbereiche freihalten, Sichtbeziehungen verbessern.
Damit sich Fußverkehr und Kfz-Führende an Kreuzungen besser sehen und in kritischen Situationen entsprechend handeln können, müssen Kreuzungsbereiche konsequent von parkenden Fahrzeugen freigehalten werden. Dazu sind Kommunen gefordert, falschparkende Kfz konsequent abzuschleppen, Poller und Fahrradbügel aufzustellen sowie bauliche Maßnahmen wie vorgezogene Fahrbahnränder zu nutzen.

Der Posse zweiter Akt

Die Vorlage VII-A-00898-NF-02-DS-02 des Oberbürgermeisters: Widerspruch gegen den Bescheid der Landesdirektion Sachsen zum Ratsbeschluss „Abschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugen“ wird aufgerufen.

Hier mein Redebeitrag, das ist die Vorlage – kleinere Abweichungen beim Vortrag sind möglich.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Meine Damen und Herren Beigeordnete,
Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
werte Zuschauer im Livestream.

Das Gutachten zur Rechtmäßigkeit des Stadtratsbeschlusses zum „Abschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugen“ des RA Dr. Brüggen empfiehlt die Rücknahme des Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit.
Zuerst sei mir eine Frage an den OBM gestattet. Nach der letzten Ratsversammlung 2020 wurde, nach meiner Kenntnis, im Verwaltungsausschuss festgelegt, dass 3 Rechtsanwaltskanzleien – darunter eine von der Fraktion Freibeuter vorgeschlagene – betreffs der Erstellung eines Gutachtens angefragt werden sollten. Nach Abgabe der Angebote würde dann festgelegt, welche mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt wird. Heute kontaktierte uns eine, also die von uns vorgeschlagene, Kanzlei und wunderte sich, dass lt. Meldung in der Bild, das Gutachten bereits vorliegt und die Kanzlei nicht angefragt wurde.
Können Sie uns dazu etwas sagen?

Antwort des OBM (sinngemäß): „Wir haben die Wertgrenze als unkritisch für eine Direktvergabe angesehen, auf Grund der Zeitknappheit haben wir uns entschieden eine Kanzlei, die nah am Thema ist zu beauftragen. Es tut mir leid, dass wir vergessen haben die Gremien zu informieren.“

Weiter im Redetext:

Wir, die Antragsteller können uns der Argumentation des Gutachters nicht verschließen.
Ich muss aber hier auf einige, für die künftige Stadtratsarbeit für mich eminent wichtige, Punkte im Gutachten hinweisen.
An erster Stelle steht die, hier metaphorisch beschriebene Feststellung, dass „Dein Wille geschehe“ weiter nur Bestandteil des christlichen Vaterunsers ist und keine generelle Ableitung aus dem §53 der SächsGemO. Das Gutachten beschreibt, u.a. im Abs. 40, dezidiert die Festlegungskompetenzen der Ratsversammlung und des Oberbürgermeisters. Das bedeutet für meine zukünftige Ratsarbeit, dass der bloße Verweis auf den Paragraphen kein Totschlagsargument darstellt.
Zum zweiten stellt das Gutachten fest, dass die Verwaltung, der OBM und die Landesverwaltung eine fehlerhafte Begründung für die Ablehnung des Beschlusses getroffen haben. Der Gutachter kommt zwar auch zum Ergebnis einer Rechtswidrigkeit, aber mit einer völlig anderen Begründung. Das kommentiere ich hier nicht weiter. Ich verweise aber darauf, dass wir nach wie vor die im VSP vertretene Rechtsauffassung der Verwaltung für fehlerhaft halten.
Der Begründung für die Rechtswidrigkeit, die der Gutachter darlegt, ist eine andere als die des OBM und der Landesverwaltung und in sich als schlüssig anzusehen.
Wir werden uns also der Rücknahme des Beschlusses nicht verweigern.
Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass ich persönlich der Vorlage nicht zustimmen, sondern mich enthalten werde.
Allerdings werden wir den Antrag unter Beachtung der kritisierten Punkte erneut einbringen und somit eine Beschlusslage herbeiführen die rechtskonform gemäß dem Gutachten ist und der sich somit auch der OBM nicht verschließen kann.

Wir würden uns natürlich auch mit einer klaren Zusage des OBM begnügen in der er erklärt, dass die im Gutachten zum Abschleppen des Prof. Dieter Müller beschriebenen Maßnahmen im Verwaltungshandeln umgesetzt werden. Dazu ist eine eindeutige Willenserklärung des OBM und eine noch detailliert festzulegende Berichterstattung erforderlich.

Auf die Antwort des OBM, dass meine Aussagen nicht ganz korrekt sind, da das Gutachten nur den Bescheid der Landesdirektion kommentiert und nicht seinen Widerspruch kann ich hier nicht weiter eingehen, da sowohl der Widerspruch gegen den Stadtratsbeschluss, als auch das ausführliche Gutachten nicht öffentlich zugänglich sind. Das verlinkte Gutachten ist eine Zusammenfassung.

Ich bleibe allerdings bei meiner Ausführung dazu.

Was noch folgte war ein Änderungsantrag zur Vorlage, der von Sven Morlok gestellt wurde. Als zusätzlicher Punkt wurde aufgenommen, dass das Gutachten des Prof. Müller veröffentlicht wird.

Der Vorlage wurde mehrheitlich zugestimmt.

Fazit:

  1. Der Stadtratsbeschluss zum „Abschleppen verkehrsbehindernd geparkter Kraftfahrzeuge“ musste aufgehoben werden.
  2. Das so genannte Gutachten des Prof. Dr. Dieter Müller, bzw. das Schulungsmaterial, wird öffentlich zugänglich gemacht.
  3. Wir werden einen neuen Antrag zum Thema ausarbeiten, in diesem werden wir die rechtliche Schwachstelle des alten Antrages vermeiden.
  4. Die Verwaltung scheint weiterhin unwillig zu sein endlich etwas zu unternehmen und sich mit dem Stadtrat gemeinsam dieses Themas anzunehmen.

Wir bleiben dran, versprochen.

Bild von Paul Brennan auf Pixabay